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Radetzkymarsch
Seite - 277 -
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heftiger auf. Dann trug der Wind ihre Stimmen in die Ferne, es wurde einen Augenblick still, man vernahm den Atem der Erde. Plötzlich hörte man von oben, unter dem Himmel, ein schwaches, heiseres Kreischen. Chojnicki erhob die Hand. »Wissen Sie, was es ist? Wilde Gänse! Sie verlassen uns früh. Es ist noch mitten im Sommer. Sie hören schon die Schüsse. Sie wissen, was sie tun!« Es war Donnerstag heute, der Tag der »kleinen Feste«. Chojnicki kehrte um. Trotta ging langsam den glitzernden Fenstern seines Häuschens zu. In dieser Nacht schlief er nicht. Er hörte um Mitternacht den heiseren Schrei der wilden Gänse. Er kleidete sich an. Er trat vor die Tür. Stepaniuk lag im Hemd vor der Schwelle, seine Pfeife glomm rötlich. Er lag flach auf der Erde und sagte, ohne sich zu rühren: »Man kann heute nicht schlafen!« »Die Gänse!« sagte Trotta. »So ist es, die Gänse!« bestätigte Stepaniuk. »Seitdem ich lebe, habe ich sie noch nicht so früh im Jahr gehört. Hören Sie, hören Sie! … « Trotta sah den Himmel an. Die Sterne blinzelten wie immer. Es war nichts anderes am Himmel zu sehen. Dennoch schrie es unaufhörlich heiser unter den Sternen. »Sie üben«, sagte Stepaniuk. »Ich liege schon lange hier. Manchmal kann ich sie sehen. Es ist nur ein grauer Schatten. Schaun Sie!« Stepaniuk streckte den glimmenden Pfeifenkopf gegen den Himmel. Man sah in diesem Augenblick den winzigen, weißen Schatten der wilden Gänse unter dem kobaltenen Blau. Zwischen den Sternen wehten sie dahin, ein kleiner, heller Schleier. »Das ist noch nicht alles!« sagte Stepaniuk. »Heute morgen habe ich viele Hunderte Raben gesehen wie noch nie. Fremde Raben, sie kommen aus fremden Gegenden. Sie kommen, glaub’ ich, aus Rußland. Man sagt bei uns, daß die Raben die Propheten unter den Vögeln sind.« Am nordöstlichen Horizont lag ein breiter, silberner Streifen. Er wurde zusehends heller. Ein Wind erhob sich. Er brachte ein paar verworrene Klänge aus dem Schloß Chojnickis herüber. Trotta legte sich neben Stepaniuk auf den Boden. Er sah schläfrig die Sterne an, lauschte auf das Geschrei der Gänse und schlief ein. Er erwachte beim Aufgang der Sonne. Es war, als hätte er eine halbe Stunde geschlafen, aber es mußten mindestens vier vergangen sein. Statt der gewohnten zwitschernden Vogelstimmen, die jeden Morgen begrüßt hatten, erscholl heute das schwarze Krächzen viel Hunderter Raben. An der Seite Trottas erhob sich Stepaniuk. Er nahm die Pfeife aus dem Mund (sie war kalt geworden, während er geschlafen hatte) und deutete mit dem Pfeifenstiel auf die Bäume ringsum. Die großenschwarzen Vögel saßen starr auf den Zweigen, unheimliche Früchte, aus den Lüften herabgefallen. Sie saßen 277
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Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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