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Radetzkymarsch
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sofort abzureisen. Vielleicht wußte der Kranke etwas Wichtiges vom Leutnant. Vielleicht hatte er dem Vater etwas von der Hand des Sohnes zu übergeben. Herr von Trotta fuhr nach Wien. Man führte ihn in die Militärabteilung der Irrenanstalt. Es war später Herbst, ein trüber Tag; die Anstalt lag im grauen Landregen, der seit Tagen über die Welt niederrann. Im blendendweißen Korridor saß Herr von Trotta, schaute durch das vergitterte Fenster auf das dichtere und zartere Gitter des Regens und dachte an den Abhang des Bahndamms, auf dem sein Sohn gestorben war. Jetzt wird er ganz naß, dachte der Bezirkshauptmann; als wäre der Leutnant erst heute oder gestern gefallen und die Leiche noch frisch. Die Zeit verging langsam. Man sah Menschen mit irren Gesichtern und grausamen Verrenkungen der Gliedmaßen vorbeigehen, aber für den Bezirkshauptmann bedeutete Wahnsinn nichts Schreckliches, obwohl er zum erstenmal in einem Irrenhaus war. Schrecklich war nur der Tod. Schade! dachte Herr von Trotta. Wenn Carl Joseph verrückt geworden wäre, statt zu fallen, ich hätte ihn schon vernünftig gemacht. Und wenn ich es nicht gekonnt hätte, so wäre ich doch jeden Tag zu ihm gekommen! Vielleicht hätte er den Arm so grauenhaft verrenkt wie dieser Leutnant hier, den man eben vorbeiführt. Aber es wäre doch sein Arm gewesen, und man kann auch einen verrenkten Arm streicheln. Man kann auch in verdrehte Augen sehen! Hauptsache, daß es die Augen meines Sohnes sind. Glücklich die Väter, deren Söhne verrückt sind! Frau von Taußig kam endlich, eine Krankenschwester wie die anderen. Er sah nur ihre Tracht, was kümmerte ihn ihr Gesicht! Sie aber betrachtete ihn lange und sagte dann: »Ich habe Ihren Sohn gekannt!« Jetzt erst richtete der Bezirkshauptmann seinen Blick auf ihr Angesicht. Es war das Angesicht einer gealterten Frau, die immer noch schön war. Ja, die Schwesternhaube verjüngte sie wie alle Frauen, weil es in ihrer Natur liegt, von Güte und Mitleid verjüngt zu werden und auch von den äußerlichen Abzeichen des Mitleids. Sie kommt aus der großen Welt, dachte Herr von Trotta. »Wie lang ist es her«, fragte er, »daß Sie meinen Sohn gekannt haben?« »Es war vor dem Krieg!« sagte Frau von Taußig. Dann nahm sie den Arm des Bezirkshauptmanns, führte ihn den Korridor entlang, wie sie gewohnt war, Kranke zu geleiten, und sagte leise: »Wir haben uns geliebt, Carl Joseph und ich!« Der Bezirkshauptmann fragte: »Verzeihen Sie, war das Ihretwegen, diese dumme Affäre?« »Auch meinetwegen!« sagte Frau von Taußig. »So, so«, sagte Herr von Trotta, »auch Ihretwegen.« Dann drückte er den Arm der Krankenschwester ein bißchen und fuhr fort: »Ich wollte, Carl Joseph könnte noch Affären 289
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Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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