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628 Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773)
Holzer,
Epithalamium mehr darin, dass jedes Distichon ein Chronogramm mit der Summe 1716 darstellt,
wobei, was die Aufgabe des Dichters ungemein erschwert, alle als Zahlen lesbare
Buchstaben auch als solche gelesen werden müssen ; sie ist damit das längste und
v.a. virtuoseste derzeit bekannte Tiroler Chronogrammgedicht. Als Beispiel für Pet-
tenas Technik seien die ersten vier Verse angeführt :
HVC, hVC LaVrIgerae rVrsVs Vos ConVoCo MVsae,
Vos CanIte et tenVIs VatIs obIte VICes.
HVC, VelVtI VentVs, DeVotos tenDIte gressVs,
VIrgIneo sVaVes VngVe ferIte fIDes !
Hierher, hierher rufe ich euch wieder zusammen, lorbeertragende Musen ; singt ihr und
übernehmt den Part des schwachen Dichters ! Hierher lenkt wie der Wind eure ergebenen
Schritte und schlagt mit jungfräulichem Fingernagel die süß klingenden Saiten !
Eine weitere Stufe abwärts in der Hierarchie der Adressaten geht es mit einer in der
Hs. TLMF, FB 307/4 erhaltenen Elegie von etwa 175 Versen. In ihr besingt der
Schreiber Johann Nepomuk Joseph Holzer aus Hall, ein ehemaliger Philosophie-
student ohne Abschluss, die Hochzeit des Franz Grafen von Enzenberg, Rat beim
oberösterreichischen Gubernium in Innsbruck, mit Maria Waldburga Gräfin Rost,
die am 15. 7. 1771 in Innsbruck gefeiert wurde.6 Das sprachlich gelungene Gedicht
ist in zweierlei Hinsicht ungewöhnlich : Erstens blendet es die Braut und mit ihr ei-
nen Großteil der üblichen Epithalamientopik (Götterhandlung, gegenseitige Liebe,
Kinder usw.) aus und konzentriert sich ganz auf den Grafen und dessen Tugenden.
Der Grund hierfür erhellt aus den deutschen Alexandrinern Für die gnädige Frau
Gräfin, die sich in der Hs. anschließen ([11]–[14]) : Die Braut verstand offenbar
kein Lat., und Holzer verfasste für sie deshalb ein eigenes, das lat. ergänzendes Ge-
dicht. Zweitens folgt auf das eigentliche lat. Epithalamium ([3]–[9]) ein Schlussteil
([9]–[11]), in dem der Autor mit geradezu schneidender Direktheit auf seine elen-
den Lebensumstände – Eltern und Ehefrau verstorben, völlige Mittel- und Hilflo-
sigkeit – hinweist und um eine Anstellung bittet ([10]) :
Ah miserere mei, da munus, munere rite
Defungar, clemens ah miserere mei.
6 Zu Holzer vgl. Haidacher 1961, Nr. 1479 (Studium 1746–1748, danach habe er sich der „Schrei-
berey“ zugewandt) und seine Selbstbezeichnung als scriba im Kolophon der Elegie, zu von Enzen-
berg (v.a. zu seiner Rolle beim Tiroler Landtag von 1790) Mühlberger 1998, 395–403.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 2
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 728
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- Abkürzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322