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666 Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773)
Hebdomas prima
Theatrum amoris
et doloris auf die als mentale Vorbereitung auf die einzelnen Übungen gedachten praeludia
der Exerzitien verweist (eingeführt in §§
47–48 für die erste Übung der ersten Wo-
che). Außerdem ist das Drama nicht etwa in zwei Akte gegliedert, sondern in zwei
applicationes sensuum (in den Exerzitien eingeführt in §§ 121–125) : ein Hinweis
darauf, dass die ganze dramatische Handlung – typisch für die Gattung der Medita-
tionsspiele – als sinnliche Illustration moralisch-religiöser Prinzipien konzipiert ist.
Noch deutlicher – für das Jesuitendrama als Gesamtphänomen sogar unge-
wöhnlich deutlich – wird der Anschluss der Meditationsspiele an die Geistlichen
Übungen an einem 1680 in Innsbruck von der Marianischen Kongregation auf-
geführten Drama, von dem wir lediglich die Perioche erhalten haben. Es gibt sich
im Titel als regelrechte Dramatisierung der ersten Übungswoche (Hebdomas prima
exercitiorum sancti patris Ignatii, „Erste Woche der Exerzitien des Heiligen Vaters
Ignatius“ ; Innsbruck 1680).7 Tatsächlich ist das Stück aber mehr eine dramatische
Analogie zur spirituellen Reinigung, die für die erste Woche der Exerzitien vorge-
sehen ist, als eine getreue Umsetzung. Das durchweg allegorische Personal und die
sparsame Handlung sind neu erfunden. Der Inhalt des Stücks besteht darin, dass
ein gewisser Desiderius („Verlangen“) auf eine Reihe von guten Allegorien (z.B.
Gnade, Vernunft, Gewissen) und ihre bösen Widersacher (z.B. fleischliche Lust,
die fünf Sinne) trifft, über die Einsicht seiner nicht näher spezifizierten Sünden zur
moralischen Zerknirschung gelangt und schließlich Verzeihung erhält. Neben den
genannten Allegorien treten u.a. noch diverse Einsiedler, der Tod mit Gefolge und
einem Sterbenden sowie die fünf Lebensalter auf. Deren Funktion im Stück geht
aus der Perioche nicht hervor. Der Reigen an Figuren – insgesamt waren 40 Rollen
zu besetzen – zeigt allerdings, dass trotz der Einfachheit des Grundgedankens eine
gewisse Abwechslung des dramatischen Dialogs vorhanden sein musste. Auch die
Tatsache, dass der Innsbrucker Hofkapellmeister Severin Schwaighofer die Musik
schrieb (wie er es auch oft für die größeren Schulschlussaufführungen tat), legt
nahe, dass es sich hier durchaus nicht nur um eine spröde Bußübung handelte.
Das 1757 aufgeführte Theatrum amoris et doloris („Theater der Liebe und des
Schmerzes“ ; Valentin 1, Nr. 6717) ist das einzige Innsbrucker Meditationsdrama
vor der Zäsur des Jahres 1763/64, dessen Spieltext erhalten ist. Er liegt sogar im
Druck vor (Innsbruck 1757). Der Titel sieht dem Theatrum doloris et amoris („The-
ater des Schmerzes und der Liebe“ ; München 1717) des großen Münchener Dra-
maturgen Franz Lang zum Verwechseln ähnlich, es gibt ansonsten aber keine auf-
fälligen Gemeinsamkeiten. Es treten nur wenige Figuren auf. Sie sind durchwegs
Abstraktionen. Den Dialog bestreiten Synesius, Pistonius und Anthropus, deren
7 Das Stück ist bei Valentin nicht nachgewiesen. In seinem Repertorium findet sich keine Parallele für
einen so offenen Anschluss an die ignatianischen Exerzitien.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 2
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 728
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- Abkürzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322