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690 Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773)
Pastorelle
Pastoritia Europaea ten Arien, die Prosaüberleitungen Rezitative gewesen sein. Dies passt auch gut zu
den ähnlichen Passagen der späteren Beispiele, in denen ausdrücklich von Arien
und Rezitativen gesprochen wird.
Im Brixner Priesterseminar findet sich eine handgeschriebene Pastorelle in diem
consecrationis Leopoldi episcopi Brixinensis („Pastorelle auf den Tag der Konsekration
des Brixner Bischofs Leopold“ ; SEM E 23, Bl. 259r–262v). Die Szene ist also zum sel-
ben Anlass im Jahr 1747 entstanden, für den Joseph Resch seinen oben besprochenen
Pastor bonus geschrieben hat. Mit diesem hat sie auch die Allegorie der Bischofsschä-
ferei gemein. Das bukolische Ambiente wird u.a. durch die Zitate einiger Hexameter
aus Vergils Eklogen evoziert (z.B.: Bl. 259r, neunte Zeile von oben : ecl. 1,1 ; Bl. 260r,
vierte Zeile von unten : ecl. 9,28). Die erste Ekloge gibt auch die Grundsituation
vor, in der ein glücklicher Hirte (Tityrus) einem unglücklichen (Meliboeus) gegen-
übersteht – in unserer Szene wird Letzterer durch einen weiteren Hirten, Amyntas,
verstärkt. Tityrus genießt den Segen des Friedens in Brixen und führt ihn auf den
Oberhirten Leopold zurück. Die aus benachbarten Ländern stammenden anderen
Hirten klagen dagegen über die Last des Krieges. Der geschichtliche Hintergrund
ist der österreichische Erbfolgekrieg (1740–1748), von dem Tirol – abgesehen von
einem bayerischen Einfall bei Erl 1744 – allerdings nicht direkt betroffen war. Die
Leistung Leopolds bestand eigentlich nur darin, rechtzeitig zum Ende des Kriegs sein
Amt anzutreten. Genug für den Autor, um ihn zum Friedenshelden zu machen, des-
sen Qualitäten mit dem aus seiner lat. Namensform „Leopoldus“ gewonnenen Ana-
gramm SUDO („ich schwitze/arbeite hart“), PELLO („ich vertreibe [sc. den Krieg]“)
beschrieben werden. Am Schluss des Stücks feiert er eine geistliche Hochzeit mit sei-
ner ‚Braut‘, der ecclesia Brixinensis („Brixner Kirche“). Arien in akzentrhythmischen
Strophen und Rezitative in freien gereimten Zeilen bilden den Haupttext. Ein großer
Chor mit Pauken und Trompeten schließt das Geschehen ab.
An dieser Stelle sei auf den Entwurf eines weiteren, nicht applausus-haften Schä-
ferspiels hingewiesen, das sich im selben Sammelband wie die Pastorelle befindet
und ebenfalls – hier aber offenkundig – den österreichischen Erbfolgekrieg the-
matisiert (SEM E 23, Bl. 309r–313v). Am Anfang steht nämlich ein Schlüssel, der
die auftretenden Hirten mit Nationen und Personen identifiziert (Argenis – der
Name nach John Barclays Roman von 1621 – steht z.B. für Österreich), und am
Rand des Entwurfs wird zu den einzelnen Szenen der historische Hintergrund an-
gegeben. Das Stück selbst wurde entweder nie geschrieben oder ist nicht erhalten
oder bis jetzt nicht ans Licht gekommen. Der Entwurf ist jedoch als solcher in-
teressant, nicht zuletzt weil er von einem Brief des anonymen Verfassers an einen
ebenso anonymen reverendus dominus („Ehrwürdiger Herr“) eingeleitet wird. Aus
dem Schreiben wird klar, dass der Adressat dem Verfasser vorher schon ein anderes
Theaterstück zur Kritik vorgelegt hat, zu dem sich der Verfasser nun zunächst recht
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 2
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 728
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- Abkürzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322