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Theater 691
Primissers
applausus
Eliae triumphus
de Elisaeo
detailliert äußert und Vorschläge zur Verbesserung der Dramaturgie gibt. Anschlie-
ßend legt er dann den Plan zu seiner eigenen Pastoritia Europaea („Europäisches
Hirtentum“) zur Begutachtung vor. Die Anrede reverende legt nahe, dass der Adres-
sat ein Geistlicher ist, was vielleicht auch für den Schreiber gilt. Wie dem auch sei,
das Dokument beweist, dass das Theater in den 1740er-Jahren in gewissen Brixner
Zirkeln einerseits ein ästhetisch ernst genommenes Thema, andererseits aber auch
ein Medium politischen Ausdrucks sein konnte.
Der Stamser Zisterzienser Cassian Primisser (1735–1771 ; vgl. hier S.
761–763)
schrieb zwischen 1757 und 1768 eine Reihe von Dichtungen, die heute in einem
mit „Poetische Aufsätze“ betitelten Faszikel zusammengefasst sind.21 Darunter
finden sich vier applausus, die er für die beiden Äbte Rogerius Sailer (reg. 1742–
1766) und Vigilius Granicher (reg. 1766–1786) verfasst hat. Mit Abt Rogerius,
unter dem Primisser ins Stift eintrat und dem drei der vier Stücke gewidmet sind,
begann eine sich bis zum Beginn des 19. Jhs. erstreckende Blütezeit der Musik-
pflege in Stams. Primissers applausus passen schön in diesen Kontext. Während
der Aufführungsanlass des ersten nicht klar ist, wird in den übrigen drei Beispie-
len jeweils der Namenstag des Abts genannt – was dann auch der naheliegendste
Anlass für den ersten applausus ist. Bis auf das 1763 aufgeführte Stück, in dem
das Deutsche klar überwiegt und das deshalb hier nicht besprochen wird, sind
Primissers applausus rein lat. Alle enthalten ein Chronogramm im Titel, das die
Datierung ermöglicht.
Das erste, ausdrücklich als musicus applausus bezeichnete Stück von 1757 heißt
ELIae trIVMphVs De ELIsaeo, prIVs VICtore, VnItIs festIVI VotI sVffragIIs appro-
batVs („Triumph des Elija über Elischa, den vormaligen Sieger, durch die vereinten
Stimmen eines feierlichen Glückwunsches anerkannt“). Als Einzelsänger treten der
Prophet Elija (Elias) und sein Nachfolger Elischa (Elisaeus) auf (vgl. 1 Kg 19,16–20
und 2 Kg). Elija steht für den amor paternus („Liebe des Vaters“) und damit für Abt
Rogerius ; Elischa für den amor filialis („Liebe des Sohnes“) und das von Rogerius
geleitete Stift Stams. Das Thema des Stücks ist die Liebe des spirituellen Vaters Elija
zu seinem spirituellen Sohn Elischa, die sich als stärker erweist als die Liebe des
biologischen Sohns Elischa zu seinem biologischen Vater Saphat. In diesem Sinn
ist auch der Titel zu verstehen : Elijas Liebe triumphiert über jene des Elisaeus, der
ihm deshalb Gefolgschaft schwört. Die Allegorie auf das Leben der Stamser Mön-
che unter ihrem spirituellen Vater Rogerius ist offensichtlich. Diese treten am Ende
noch als Chor von filii prophetici („Prophetensöhnen“) auf und preisen die Liebe
des Elija bzw. Rogerius.
21 Hs. im Archiv von Stift Stams, ohne Signatur (Nr. 14 des Primisser-Nachlasses). Die Blätter sind
unpaginiert.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 2
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 728
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- Abkürzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322