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Geschichtsschreibung 731
Zeitgeschichte :
Ott
sich auf Eheschließung und Nachkommenschaft der einzelnen Regenten konzen-
trieren und von wenigen Zeilen für die fiktiven älteren Ahnen bis zu je einer Seite
für die Familienangehörigen aus der jüngsten Vergangenheit reichen. Als Ahnherr
des Geschlechts übernimmt Zeno aus der genealogischen Tradition Lotherus I., den
Sohn eines Tongrer-, Kimbrer- und Belgierkönigs mit der Halbschwester von Julius
Caesar. Mit der Anknüpfung der Familientradition an die julische Dynastie und an
besagten König, dessen Ahnen ursprünglich aus Troja stammen sollen, werden die
Lothringer über die zweifache trojanische Abstammung doppelt in der mythischen
Vorzeit verankert und dadurch auf eine Ebene mit den Habsburgern gestellt, die
ihr Geschlecht ebenfalls von den Trojanern herzuleiten wussten (vgl. Tanner 1993).
Im Tirol des späten 17. und frühen 18. Jhs. lässt sich ein großes Interesse für
Zeitgeschichte feststellen. Eine populärhistorische Darstellung aus der ersten Hälfte
des 17. Jhs. geht auf den aus Vorderösterreich stammenden Jesuiten Christoph Ott
(1612–1684 ; BS 6, 1–7 ; Tovazzi, Nr. 72) zurück. Bekannt als Prediger und Autor
einiger polemischer theologischer Werke, verbrachte er seinen Lebensabend in Ti-
rol und widmete sich hier verstärkt der Geschichtsschreibung. Er veröffentlichte
1676 in Innsbruck eine deutschsprachige Sammlung von Papstbiographien und gab
1680 eine Ausgabe der äußerst populären und in Jesuitengymnasien verwendeten
Epitome historiarum („Abriss der Geschichte“ ; Lyon 1620) des Jesuiten Orazio Tor-
sellini (1545–1599) heraus, versehen mit einem Vorwort und einer kurzen Ergän-
zung, die Torsellinis Darstellung bis zum Jahr 1600 weiterführte. Sein letztes Werk,
Historia nova saeculi nostri decimi septimi, ferreo-aurei („Neue Geschichte unseres
eisern-goldenen siebzehnten Jahrhunderts“ ; Innsbruck 1682), behandelt in vier
Büchern die Geschichte von 1601 bis zur Krönung Leopolds I. im Jahr 1658. Die
aus habsburgischer Perspektive verfasste, streng chronologische Darstellung ist an-
fänglich sehr knapp – für die ersten zwölf Jahre des Jahrhunderts benötigt Ott nur
neun Seiten – wird aber mit der Zeit etwas ausführlicher. Die chronologische Ord-
nung wird erst im letzten Kapitel durchbrochen, in dem Konversionen berühm-
ter Menschen zum Katholizismus im behandelten Zeitrahmen vorgeführt werden.
Obwohl die Historia als eine Fortsetzung von Torsellinis Werk gedacht ist, unter-
scheidet sie sich als eine vollwertige, wenn auch knappe, darstellende Geschichte
wesentlich von der Aneinanderreihung von Fakten in der Epitome. Im Zentrum der
Darstellung stehen, anders als bei Torsellini, die Geschehnisse im Reich. Statt der
einfachen Sätze der Epitome verwendet Ott einen etwas anspruchsvolleren Stil, der
sich an Caesar orientiert. Er erhebt ausdrücklich keinen Anspruch darauf, etwas
Neues geboten zu haben. Vielmehr listet er am Ende der größeren Abschnitte je-
weils die – allesamt gut katholischen – Autoren auf, denen er in seiner Darstellung
gefolgt ist. Seine Entscheidung, die Regierungszeit Kaiser Leopolds nicht mehr dar-
zustellen, rechtfertigt er sogar mit der Begründung, dass noch keine zuverlässigen
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 2
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 728
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- Abkürzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322