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948 Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848
rhetorische
Technik, Stil
Monti
Beredsamkeit
bei den Agiati ut quae alioquin in philosophia forent laborantis cerebri tormenta, nunc lusus fiant blandientis
curiositatis. O quot hic viridaria selectissima veritatum, in quibus rident tot Charites et Gra-
tiae, quot experimenta : quorum aspectu demulcetur animus et propemodum fascinatur.
dass das, was sonst in der Philosophie Folter des sich abquälenden Hirns war, nun Spielerei
schmeichelnder Neugier wird. O wie viele erlesenste Lustgärten der Wahrheiten tun sich
hier auf, in denen so viele Chariten und Grazien lachen, wie es Experimente gibt, deren
Anblick den Geist liebkost und geradezu in Verzückung versetzt.
Die Rede vermittelt einen lebhaften Eindruck vom Stand der Experimentalphysik
an einer österreichischen Universität in der zweiten Hälfte des 18. Jhs.: noch Teil
der Philosophie und von den zünftigen Vertretern dieses Fachs z.T. mit Misstrauen
und Verachtung beäugt, aber erfolgreich, zukunftsfroh und von großer Begeiste-
rung getragen.6 – Die eigentliche Rede endet auf S. 23. Nach einer Pause, in der
ein nicht näher bestimmbarer Teil der Zeremonie abläuft, folgt eine zweite, kurze
Ansprache an die Neo-Baccalaurei, nach Eidesleistung und Empfang des Lorbeers
kommen noch ein paar Dankesworte an die Anwesenden (23–26).
Weinhart ist ein guter Redner. Er disponiert klar, argumentiert schlüssig, ver-
mittelt seine eigene Begeisterung für die Sache und geht auf seine Zuhörer ein,
aus denen er, um seine Ansichten pointierter formulieren zu können, jeweils ein
‚Kernpublikum‘ herausgreift, einmal den hypothetischen sittenlosen Studenten,
das andere Mal die Kandidaten seiner eigenen Fakultät (vgl. 6, 15). Zusätzlich be-
lebt werden seine Ausführungen durch fiktive Einwände (7, 19), erzählte Gesprä-
che (11) oder auch, in den Passagen über die Experimente, die Wiedergabe von
Ausrufen : Heu ! Quod numquam capere potui, nunc capio ! (21 ; „Hurra ! Was ich nie
begreifen konnte – jetzt begreif ich’s !“) All dies wird in einem leicht verständlichen
Latein ausgedrückt, in das zwanglos die nötigen Neubildungen wie z.B. philosophia
experimentalis („Experimentalphilosophie“, d.h. Physik) einfließen.
Anhangsweise sei hier noch eine 1775 in Bologna erschienene Rede eines Gae-
tano Lorenzo Monti auf den medizinischen Studienabschluss des Trientners Giu-
seppe Teodorico Borsieri genannt. Sie erlebte 1827 eine zweite Auflage, die, wie aus
dem Widmungsbrief des Zweitherausgebers (VIII) hervorgeht, dem Lokalpatriotis-
mus des Trientner Juristen Antonio Mazzetti zu verdanken ist.
Bei den halbjährlich stattfindenden Sitzungen der Accademia degli Agiati wur-
den regelmäßig drei Arten von Reden gehalten : Der Sekretär würdigte jüngst ver-
storbene Mitglieder oder berichtete über eingegangene Schriften ; anschließend
6 Zu Weinhart als Physiker und zum damaligen Physikunterricht in Innsbruck vgl. Hye 1970, 87–
99 ; Oberkofler/Goller 1996, 47–48.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 2
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 728
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- Abkürzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322