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1000 Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848
Karl von
GĂĽntherode
Theologiae naturalis
institutio im Verhältnis zum Inhalt nur ancilla („Magd“), nicht domina („Herrin“) sein darf
(Kap. 2,1 ; Kap. 2,3,1–2). Andererseits mahnt er, die Lehre müsse stets der offizi-
ellen kirchlichen Ansicht entsprechen, der sicherste Weg zur Erkenntnis sei der
Glaube (Kap. 2,4,1) und der Lehrer dürfe nicht zu sehr auf die geistige Selbstän-
digkeit der SchĂĽler vertrauen : Plures sunt hebetioris quam acutioris ingenii, praecipue
si iudicium in inferioribus scholis nondum fuerit satis limatum et ingenium excitatum.
(S. 129 ; „Die Mehrzahl besitzt eher einen stumpfen als einen scharfen Verstand,
v.a. wenn ihr Urteil in den unteren Schulstufen noch nicht genĂĽgend zurechtgefeilt
und ihr Verstand nicht genügend angeregt worden ist.“) Dementsprechend wird
der SchĂĽler vor eigenem Denken gewarnt und zu Disziplin und Unterordnung
unter die kirchlichen Autoritäten und den Lehrer angehalten : Totus ab ore pendeat
docentis. (S. 149 ; „Ganz hänge er an den Lippen des Lehrenden.“)
Ein prominenter Vertreter der theologischen Aufklärung in Innsbruck war der
gallikanisch-febronianisch gesonnene Karl von Güntherode OSM (1740–1795).
Der aus der Lombardei GebĂĽrtige trat 1758 in Innsbruck in den Servitenorden
ein, wo er 1766 Lektor der Philosophie, 1769 der Theologie wurde. 1773 erhielt
er an der Universität den Lehrstuhl der Logik und Metaphysik, 1774 den der
Dogmatik und Polemik, 1779 jenen der Kirchengeschichte. 1783 wurde er wegen
der Publikation von 17 allzu freigeistigen Thesen aus dem Lehramt entlassen und
ging nach Wien, wo er sich u.a. um die Bibliothek des FĂĽrsten von Esterhazy
kĂĽmmerte.2
GĂĽntherode verfasste neben (auch deutschen) satirisch-polemischen Schriften
eine Reihe theologischer Monographien, über die jeweils an der Universität dispu-
tiert wurde. Hier sei er mit seinem einzigen Lehrbuch vorgestellt, mit dem er sich
dem Ideal einer Dogmatik „im bloß fingerdicken Büchlein“ (Brandl 1969, 18) nä-
herte, der Theologiae naturalis institutio („Unterricht in der natürlichen Theologie“ ;
Innsbruck 1774). Dieses Werk behandelt auf 212 Seiten ungefähr denselben Stoff,
für den etwa Albert Prack (vgl. hier S. 817) fast viermal so viel Raum gebraucht
hatte. Der vollständige Titel erklärt, Güntherode habe es für die Kandidaten der
Philosophie ausgearbeitet, die er ja an der Universität zu unterrichten hatte. Folge-
richtig spricht er, ähnlich wie Casimir Grustner (vgl. hier S. 814–815), primär als
Philosoph, nicht als Theologe.
Der Aufbau des in 13 Kapitel gegliederten Buches entspricht einem damals weit verbrei-
teten Muster : GĂĽntherode behandelt nach einem wissenschaftsgeschichtlichen Vorspann
zunächst den Namen Gottes und die Wege der Gotteserkenntnis (Kap. 1). Danach setzt
er sich mit dem Atheismus auseinander (Kap. 2), erörtert, ob man Gottes Existenz ohne
2 Gasser 2,70–71 ; Coreth 1947, 76–78, 89–91 ; Haidacher 1952, 316 ; Coreth 1995, 45–46.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 2
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 728
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- AbkĂĽrzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322