Seite - 1053 - in TYROLIS LATINA - Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 2
Bild der Seite - 1053 -
Text der Seite - 1053 -
Medizin 1053
Canestrini
Pestschriften
Onanismus
Hier beschreibt er am Anfang die Einschleppung der Seuche durch zwei Bettler und ihre
Verbreitung im Lüsener Tal (III–IV), um dann die Symptome und den Krankheitsverlauf
zu charakterisieren (IV–VII). Danach setzt er sich mit den Faktoren auseinander, die zur
raschen Verbreitung der Seuche im Tal führten (VII–VIII). Diese erkennt er in der Armut
der Bevölkerung und den schlechten hygienischen Verhältnissen. Den Schluss der Schrift
bildet der nach Indikationen geordnete Bericht über die Therapiemaßnahmen, bei denen
Comini, im Unterschied zu Marcabruni, auf Aderlässe verzichtet hatte (VIII–XI).
Außerhalb der Universität schrieb auch Anton Canestrini (1743–1807 ; vgl. Wurz-
bach 2, 250). Aus Nonsberg gebürtig, studierte Canestrini Philosophie und Me-
dizin in Innsbruck, wo er 1768 mit einer Dissertatio inauguralis chemico-medica
de mercurio („Chemisch-medizinische Inauguraldissertation über das Quecksilber“)
promovierte. Nach dem Abschluss seiner Studien verließ er Tirol und erwarb sich
bei der Bekämpfung der Pestepidemien in den Grenzregionen des Habsburger-
reichs einen hervorragenden Ruf als Arzt. Später wurde er mit wichtigen Aufgaben
im öffentlichen Gesundheitswesen betraut. So führte ihn 1785 die Anstellung als
Bergkameralphysicus von Schwaz zurück nach Tirol. Hier wurde er v.a. durch seine
Bemühungen um die Pockenimpfung bekannt ; er veröffentlichte mehrere Abhand-
lungen auf Deutsch, welche die Impfung popularisieren sollten.
Seine unter Lebensgefahr gewonnenen Erfahrungen mit der Pest verarbeitete
Canestrini in einer Dissertatio historica de peste annorum 1771 et 1772 („Historische
Abhandlung über die Pest in den Jahren 1771 und 1772“ ; Kaschau 1777) und
der in Tirol verfassten Pestis diagnosis maxime ex eius contagio haurienda („Die Pest
lässt sich am besten an ihrer ansteckenden Natur erkennen“ ; Salzburg 1795). Diese
Schriften propagieren die Ansicht, Epidemien würden durch Ansteckung und nicht
durch Verpestung der Luft, des Wassers und der Nahrung verbreitet, die nur das
erste Entstehen der Seuchen erklären könnten.
Ein anderes Werk Canestrinis aus seiner zweiten Tiroler Zeit ist die alarmistische
Schrift Onanismus medice, politice et moraliter consideratus („Onanie, medizinisch,
politisch und moralisch betrachtet“ ; Innsbruck 1801). Er widmete sie dem Tiro-
ler Klerus, weil die Priester in ihrem Kampf gegen die Sünde auch politische und
medizinische Kenntnisse benötigten. Durch die Verhinderung der durch Onanie
verursachten Krankheiten erwiesen sie dem Staat einen großen Dienst (I–IV).
Im Vorwort erklärt Canestrini seine Motivation, den Kampf gegen diese Seuche aufzu-
nehmen, die nicht nur ein moralisches, durch Religiosität zu bekämpfendes Problem
darstelle, sondern eben auch eine medizinische und gesellschaftliche Dimension habe
und daher als weit gefährlicher als die Pest eingeschätzt werden müsse. Während Pest-
epidemien nur von kurzer Dauer seien, sei die Onanie ein beständiges Übel, das alle Al-
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 2
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 728
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- Abkürzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322