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Rechtswissenschaft 1057
Banniza,
Disquisitiones
Tiroler Statut ;
Wörndle
punkte angemessen zu berücksichtigen. Zunächst werden die Schriften zum welt-
lichen Recht, dann die kanonistischen Texte besprochen. Innerhalb jedes dieser
Gebiete orientiert sich der Überblick an den beiden großen Zentren Innsbruck und
Trient. Nach dem eingangs Gesagten verwundert es nicht, dass die behandelten
Texte fast ausnahmslos aus der Zeit vor der Jahrhundertwende stammen und im
Wesentlichen wie gegen Ende der vorhergehenden Epoche im Zeichen von Aufklä-
rung und Josephinismus stehen.
Die dominierende Gestalt und der weitaus fruchtbarste Schriftsteller unter den
Innsbrucker Rechtsprofessoren zu Beginn dieser Epoche war der bereits im vorigen
Kapitel mit zwei Werken vorgestellte Joseph Leonhard Banniza (s. hier S. 888). Bis
1782 ließ er an der Universität rund 25 kürzere Monographien defendieren und in
Innsbruck drucken. Viele davon finden sich in seinen dreibändigen Disquisitiones
iuris plani ac controversi Pandectarum („Untersuchungen zum sicheren und um-
strittenen Recht der Pandekten“ ; Innsbruck 1780–1781) wieder. Diese bemerkens-
werte Sammlung ist in ihrem Aufbau von Johann Gottlieb Heineccius’ Elementa
iuris civilis secundum ordinem Pandectarum („Grundlagen des bürgerlichen Rechts
nach der Ordnung der Pandekten“ ; Amsterdam 1728), einem der innovativsten
Zivilrechtslehrbücher des 18. Jhs., inspiriert. Sie bietet aber selbst keine systemati-
sche Gesamtdarstellung des Zivilrechts, sondern behandelt vielmehr in insgesamt
knapp 30 disquisitiones ausgewählte Spezialgebiete, wobei das Hauptaugenmerk auf
dem Zivilprozessrecht liegt. Die Untersuchungen sind stets klar und übersichtlich
aufgebaut, neigen zur Redundanz, verwenden einen leicht verständlichen Stil und
verzichten weitgehend auf Fußnoten – Indizien dafür, dass Banniza sich trotz seines
selektiven Zugangs in erster Linie an eine studentische Leserschaft wendet. Viel
Raum wird der Widerlegung von Argumenten gewidmet, die Bannizas Ansichten
widersprechen ; die jeweiligen adversarii („Gegner“) bleiben dabei anonym, was in
akademischen Werken dieser Zeit – anders als z.B. in Prozessschriften – eine Aus-
nahme darstellt.1
Das schon in früheren Jahrhunderten intensiv traktierte Tiroler Statut (vgl. hier
S.
880–881) blieb bis zur Einführung des ABGB im Jahr 1812 in Geltung und war
während dieser Zeit auch noch Gegenstand juristischer Arbeiten, wie z.B. ein über
250 Seiten starker Band mit anonymen Adnotationes ad ius statutarium Tyrolense
(„Anmerkungen zum Recht des Tiroler Statuts“ ; TLA, Hs. 713) aus dem Jahr 1807
zeigt. Dies galt besonders für sein Erbrecht, das sich am deutlichsten von den Nor-
men des ius commune unterschied, wie etwa Andreas Aloys Höllrigl in seiner Disser-
tatio de differentia successionis ab intestato („Erörterung über den Unterschied in der
1 Singulär ist es aber nicht, wie etwa Peter Modestis De iustitia poenae mortis dissertatio („Abhandlung
über die Gerechtigkeit der Todesstrafe“ ; Innsbruck 1778) zeigt.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 2
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 728
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- Abkürzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322