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VI, Viogravlnschcs,
ei» von den Gesetzen verpönter Schritt, mache
vorderhand jede Änderung unmöglich, und es
Die Unterzeichner der Bittschrift — die,
nebenbei gesagt, über das Mißlingen gar nicht
so bestürzt waren, als bei ihrem Feuereifer
vorauszusehen war, so das; mnn wohl mcrtte,
sie seien von der Fruchtlosigkeit ihres Schrittes
un voraus überzeugt gewesen — halten nu»
nichls Eiligeres zu luu, als das Gesuch niit den
steus der z,veiten Halste ihres Wunsches, als
Vorkämpfer der Freiheit zu gelte», nicht auch
verlustig zu gehen,
Ta bemerlte nun ich zu meinem Erstaune»,
daß ich in der Neihe der Unterzeichner der erste
stand, nides ich mir bewußt war, der dritte
unterschrieben zn haben, Iä) erkundigte mich
nnd ersnhr, daß Hofrat Hammer und Professor
^'nNiincr ihre uoranstchenden Alainen durch
eine» Äimstrndierer ausradieren lasse» und sich
in die Mille des Haufens eingeschrieben hatte»,
so daß ich, der ich allein den Schritt mißbilligt,
nu» als Nädelssiihrer au der Spitze sta,!d, Mir
!var dies ziemlich gleichgültig, aber, wie es
scheint, den b.iden Herren nicht.
Wie sehr d.,s Bedaueru des Fürsten Mette»
nich bei feinein ablehnenden Bescheide reine
5>eu>^elei war, zeigte eine bald darauf er-
scheinende Schrift von einem seiner Vertrauten,
dem Baron Clemens Hügel, in der geradezu
ciue Verschärfung der Maßregeln gegen die
Presse als unbedingt nutwendig dargestellt
wurde.
Ta der Verfaffer, wie gesagt, ein Pertrauter
des Fürsten Mellernich war, nnd die Schrift
vor der Veröffentlichung gewiß dem Fürsten
vorgelegl nnd von ihm gebilligt wurde, so mußte
die darin ausgesprochene Meinung notwendig
als die des Staatstanzlers gelten, und die In-
dignation des Pnblitnms stieg aufs höchste,
Vauernfeld schrieb gegen diese Broschüre, uud
je derber, je größer diese Abfertigung war, nm
so großer war ihre Wirkung, Tie Lache ging
ins Tagesgespräch über. Überhaupt hat die
Eitelkeit Metteruichs so viel geschadet als sein
Hochmnt, Tie Gewaltherrschaft muß, wie in
Nußland, wie i» Österreich unter Kaiser Franz,
als ein Fattiim, als eine keines Erweises vc-
dürftigeNotweudigteit dastehe,,; vou dem Augen-
blicke, als sie sich verteidigt, hat sie sich zugrunde
gerichtet,
Baueruseld, der Verfasser der Streitschrift
gegen Baron Hügel, hatte seit längerer Zeit
angefangen, eine politische Rolle zu fpielen,
und ich kann nicht vermeiden, von ihm zu redeu,
Er trac in die Literatur halb als Gocthiaucr,
halb als Tilckiauer eiu, Sein unvergleichliches
Talent für das Einzelne wurde durch das
Fließende feiner Natur iu bczug auf ein Ganzes
sehr in Schatten gestellt, Nichtsdestowe^g.er
hatten seine ersten dramatischen Hcrvor- bringnngen noch immer vie I^ ^rgaiüfches, 3>,n
erstes »nd vielleicht bestes Stück ging so ziemlich
spurlos vorüber, weil bei Bain'vnielos Armnt
an Erfindung das ni>l,l ammierte Pnbli!»»,
über die Mi»,al»rnn lt vo» ^in>.'!ini>»n,,opu!,n^i
uud Eharallell'oiuige» »och lnnwegtölvclte.
Ein zweites, noch immer im Z»samme»ba»s,e
gedachtes, gelang besser. Bei eine», ,
habe ich ihn sogar genötigt, eine» drillen A!t
hinzuzuschreibeu, da er bei dem ,',wei,eu g^
radezu aufhöre» wolüe, '^imciufeld dcfaß Ver-
slaud und literaristlie Üiechtschaffenheit genini,
nm diesem Gebreche» seines 3>i!e,,!cs e>n>^>,^
zuarbeiten. Es zeigte sich aber^ bald, du,!,
wenn er sich einen leii>'>!d>>, !> i^ü,!c,, <,>0rie!>l>,
das Einzelne steif unt, kalt geriet, indc
anf gut Glück iu den Tag hinein schreiben durste,
nm alle Teile sprühend von .^'eben niw
esse zu gestalte,,, Während er noch so mit sich
selber im ztampf war, tanchte das sogenannte
jnngc Deutschland anf, Nnn war der Würfel
geworfen. Alles fagen zn können, was einen,
in den Mund kam, an Lrd»»»g imd Folge »nln
gebunden zn sein, war alles, was er verlangie,
»nd er gab sich von da an ei»em t,'
^^1'en hin, desfen ,vi»!ergl»nd doä, >»>,»er eme
Art Vcrzn>e.isl»!ig a» sich selbst bildete, wie
einer sich dem Tinnte ergibt, »», dein ^>eda»!V»
a» das Zngrundegehe,, seines Hausstandes -,n
eulsliehe». Uni aber alles zn fagen, was ei,,e>>i
in den Mund kommt, muß man es vor allem
mu>! fagen können, und er ward vo>, da an
der Wütendste nnter den Gegner,, der
Banernfeld mcrtte, daß die politischen An-
fuielungen dem Piiblitnm die ,r>illtom,neusten
waren, geriet er aus der litcrarisaie» Agitnlio»
von selbst in die politische, ein Feld, i^ ^
bis dahin ganz fremd war, Ich gla»l>e ,oc»,g'
steiis »icht, daß er vor seine», dreißigsten Ialne
eine politische Zeitling überhaupt nnr gelesen
hat, Ticser psychologifch bedingte Hergang blieb
übrigens für Baucrnfeld ei» ^!el,eim», ,
ammenhllna, getäuscht.
Übrigens ging ihm viel hi», >oas ,»a»
andern sehr übel genommen hätte, Ter aller-
höchste Hof liebte nämlich im Theater — zu
laiche», li»d da ili»i Baiiernfeld dazu Gelegen-
heit gab, gefiel ma» fich dnri», ihn für einen
polternden Nprudelkopf zu halten, deffeu Reden
Opposition mit dem Fürsten Metternich den
Liberalen spielte nnd Banernfelds nnznsammen-
hängende Ausbrüche mit Wohlgefallen anhörte,
um so mehr, als dessen anfeindender Grimm
ich besonders gegen seinen Vorgesetzten, den
Finanzpräsidenteu Baron Kübect, wendete, den
Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
- Titel
- Grillparzers sämtliche Werke
- Untertitel
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Band
- II
- Herausgeber
- Rudolf von Gottschall
- Verlag
- Hansa-Verlag
- Ort
- Hamburg
- Datum
- 1906
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.2 x 15.9 cm
- Seiten
- 552
- Schlagwörter
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik