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Eisenblüte#

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Die blaue Blume der Romantik ist gar kein so seltenes Blümchen. Genau genommen blüht sie in jedem von uns; nur geben es die einen zu, die anderen nicht. Phantasie und Wunschtraum sind Überbleibsel aus dem Paradies. In unserer sachlichen, hektischen Zeit bleibt für sie ohnehin nicht viel Zeit. Oft sind es nur die paar Minuten vor dem Einschlafen, in denen die Bilder zu gaukeln beginnen und die Sehnsüchte Farben und Gestalt annehmen. Manch einer träumt auch am helllichten Tag. Er sieht dann nicht, was um ihn vorgeht. Er sucht seine blaue Blume.

Eisenblüte, Teil des Titels des Buches und geschätzter Schatz des Erzberges, diesem Mineral und in besonderer Weise der "Blauen Eisenblüte" soll hier ein Platz gegeben werden. Der Mineraliensammler und Buchautor Karl Weisbach schreibt in seinem 1969 erschienenen Buch HAMMER MEISSEL SELTENE STEINE über die blaue Eisenblüte und eine kurzer Ausschnitt dieser Kapitels soll hier auszugsweise wiedergegeben werden:

Ich gebe zu, ich träume. Ich träume, seit ich die blaue Eisenblüte das erste Mal gesehen habe. Die ersten blauen Eisenblüten sah ich bei der Kantinenwirtin am Erzberg. Sie hat eine Mineraliensammlung, spektakuläre weiße und grünliche Eisenblüten - aufreizende blaue Eisenblüten. Von diesen komme ich nicht los. Weil ich keine habe, beherrschen sie meine Phantasie. Im Bett ziehe ich die Decke über den Kopf und schreite mit wachen Augen in eine wunderbare Grotte. Zum Greifen nahe sehe ich lange Zurken und Zapfen, wirre Zinken wie die Schlangenhaare der Medusa - alles blau, ein leuchtendes, himmlisches Blau.

Die Kantinenwirtin am Erzberg hat es leicht. Sie sitzt an der Quelle; denn sie hat das Bier. Und die Kumpel haben Durst, unmenschlichen Durst. Sie verdienen gut, die Kumpel; aber ihr Durst ist größer. Ich habe mit eigenen Augen zwei Bergmänner in der Kantine sitzen gesehen, auf dem Tisch die leeren Bierflaschen in Reih' und Glied, wie eine Ehrenkompanie bei einer feierlichen Leich' unten auf dem Boden die Kiste mit den vollen Flaschen, nicht mehr viele. Und mit denen ging es auch sehr schnell. Griff nach unten - Flasche hoch - Verschlusskapsel an der Tischkante ab - Flaschenhälse gegeneinander gekreuzt wie Säbelklinger vor der Mensur - Hals in den Mund - gluck, gluck, gluck - Flasche leer in die Reihe auf dem Tisch. Ein ganze Kiste Bier hatten die beiden allein ausgesoffen. Die Auge waren zwar glasig, aber sie hatten beileibe keinen Affen.

Sie verdienen gut, die Kumpel, aber der Durst ist größer. Dann blüht für die Kantinenwirtin die Zeit der Eisenblüten. Auf Pump wird nicht ausgegeben. Wer Bier will, muss Eisenblüten bringen. Der Wertausgleich ist verschieden, aber mehr als vier Flaschen für eine große Stufe werden nicht gegeben. Unansehnliche und abgestoßene werden gar nicht genommen.

Die Kantinenwirtin hat eine glanzvolle Sammlung. Auf die Mineralien zeigt sie mit Zeigestab und Lichtpfeil. Bis oben sind die Vitrinen angestopft, und sie gehen an der Wand rings um das Zimmer. Das Bett steht mitten drin. Die Wirtin hütet ihre Schätze wie der Drache den Nibelungenhort. Ja, eine Ultraviolettlampe hat sie natürlich auch. In ihrem Licht leuchten die Blüten unwirklich zauberhaft wie von innen. Und erst die blauen!

Ich hätte gerne eine blaue Eisenblüte eingetauscht. Sie sah durch mich hindurch und sprach von ganz etwas anderem. Wie ein begossener Pudel schlich ich mich davon, hatte ein dummes Gefühl und wusste nicht warum. Ein Kumpel hat mir später erzählt, dass im Erzberg schon die weißen Eisenblüten sehr selten geworden sind. Man sprengt mit viel zu starken Mitteln, das halten die feine zerbrechlichen Ranken nicht aus. Und blaue Eisenblüten sind nur auf "Augusti". Dort kann man nicht mehr hin. Die Stollen sind gesperrt. Dort ist es lebensgefährlich.

Eisenblüten sind kein blühendes Eisen, sie sind Aragonite, kohlensaure Kalke. Doch sie sind nicht einfache Tropfsteine, sondern sie bilden sich nur in warmen Höhlen. Der aragonithaltige Dunst schlägt sich an der Decke nieder, und daraus entstehen drahtige Gebilde, mitunter zehn Zentimeter lang und manchmal noch länger. Wenn sie dicht beieinander stehen, dann ist das wie die Haare eines Struwelpeters. Und kommt Kupfer zu dem Calciumcarbonat, dann werden die Sinter und Blüten blau.


© Bild und Text Fritz Bayerl, Karl und Inge Friedl