Proleb#
Ein Blick in die Vergangenheit
Das Dorf Proleb, vor den Toren der Stadt Leoben gelegen, war einst ein beliebtes Ausflugsziel der Bürger der Montanstadt. Besonders der Veitsberg lockte mit herrlicher Aussicht und schönen Wanderungen, auch wenn er selbst um 1900 "der wandernde Berg" genannt wurde. Kohlenabbau im Berginneren und unterirdische Wasserläufe hatten im Laufe der Jahre zu schweren oberirdischen Einbrüchen geführt, die schließlich am 28. Mai 1903 auch zur Sprengung der am Berg gelegenen Kirche St. Veit führten.
Zwischen Proleb und Judendorf lag die alte Bergarbeitersiedlung "In der Melln" nahe dem alten Mehlmayerhof, dem Stammhaus der Familie Mayr-Melnhof. Der Mehlmayerhof dürfte ursprünglich ein alter Edelhof, also in adeligem Besitz gewesen sein. Schon seit dem 12. Jh. ist er vermutlich kein Adelssitz mehr, er erhielt sich aber seine Bedeutung durch die Jahrhunderte bis zum heutigen Tag.
Ausgerechnet im Obstgarten des eben erwähnten Mehlmayerhofes fand man 1970 eine Bronzenadel von 12 cm Länge, die der Hallstattzeit zuzuordnen ist. Dieser Fund ist ein Hinweis darauf, dass die Gegend um Proleb schon sehr früh besiedelt war. Eine Siedlung in der Römerzeit ist wohl auch anzunehmen, führte doch eine Römerstraße hier vorbei und wurden außerdem in St. Dionysen römische Inschriften gefunden. Nach den Stürmen der Völkerwanderungszeit bot die weithin verlassene Gegend den Alpenslawen, die gerne auf vormals besiedeltem Boden ihre Dörfer anlegten, willkommene Siedlungsmöglichkeiten. Von den Slawen sind uns keine Urkunden und auch keine Münzfunde bekannt, und doch haben sie uns etwas hinterlassen, das die Jahrhunderte überdauerte. Eine Vielzahl slawischer Flurnamen überzieht unser Land, auch der Ortsname Proleb ist slawischen Ursprungs und erinnert an die längst vergangene Zeit, als slawische Bauern unserem Land den Stempel aufdrückten.
Im Murtal bewohnten sie bevorzugt die sonnseitig gelegenen Hänge. Auf einem dieser Hügel, dem Veitsberg, begegnet uns der Kirchenpatron St. Veit, ein gerne von Slawen gewählter Heiliger. Das Christentum der Slawen wird auch durch ein in Proleb gefundenes Gräberfeld aus dem achten und neunten Jahrhundert bestätigt. Man bestattete die Toten nach christlichem Brauch mit dem Besicht nach Osten. Auch Kreuzornamente auf Schmuckperlen weisen auf das Christentum der Siedler hin.
Von der später erfolgten deutschen, baierischen Landnahme künden ebenfalls eine Reihe von Ortsnamen, die von Rodungen berichten: Greith, Brandleiten oder Gschwend.
Das heutige Gemeindegebiet von Proleb kam in dieser Zeit von den deutschen Königen als freie Königshube an einen Gefolgsmann und fiel später an das Nonnenstift Goß.
Bis zum Ende der Grunduntertänigkeit stand das Gemeindegebiet unter mehreren, wechselnden Grundherrschaften. Erst nach dem Revolutionsjahr 1848 entstanden politische Gemeinden in der heutigen Form.
Von Göttern, Slawen und Jungfrauen#
Die Geschichte, die zu erzählen ist, handelt von slawischen Göttern und von Jungfrauen, die geopfert werden. Was hat dies nun alles mit St. Veit zu tun? Es beginnt damit, dass einigen Forschern folgende Tatsache auffiel: Verblüffend oft befindet sich gegenüber einer dem heiligen Veit geweihten Kirche, zumeist auf der anderen Talseite, ein Felsen, ein Berg oder ein Gegendname, der mit etwas Bösem, etwas Dunklem, etwas Teuflischem zu tun hat. Oft haftet an diesem Ort eine "Jungfernsprung-Sage" oder die Ortsbezeichnung lautet Jungfernsprung.
Neben ähnlichen Beispielen in Kärnten finden wir in der Steiermark tatsächlich gegenüber dem Jungfernsprung in Gösting bei Graz ein St. Veit, ebenso bei Paldau die Kirche des hl. Veit, auf der anderen Seite einen Jungfernsprung. Auch in Proleb findet sich gegenüber der ehemaligen Kirche von St. Veit am anderen Murufer das "Teufelswandl", allerdings ohne Jungfernsprung-Sage. Was könnte das alles bedeuten?
Zunächst, die slawische Religion war eine antagonistische: Dem hellen Gott, dem Sonnengott, auch Sventovit oder Sventevit genannt, stand der dunkle Gott, der Teufel, gegenüber. Noch 943 n. Chr. sah der arabische Schriftsteller Mosudi, der zur damaligen Zeit den europäischen Kontinent bereiste, auf der Insel Rügen den Tempel des dunklen Gottes und ihm gegenüber auf der anderen Halbinsel den Tempel des Sventovit. Noch heute weiß die Sage zu berichten, dass hier vor alten Zeiten der Teufel angebetet wurde, der zu seinen Diensten eine Jungfrau hatte, die, wenn er ihrer überdrüssig wurde, im schwarzen See ertränkt wurde.
Nun meinen Slawisten, dass auch bei den Alpenslawen dieser Dualismus geherrscht habe, auf der einen Seite der Sonnengott, auf der anderen der Böse.
Unter dem Einfluss der christlichen Missionierung hätte sich der Name des Himmelsgottes Sventovit geändert in Sveti Vit, d.h. Heiliger Veit.
Der Schluss liegt nun nahe zu vermuten, dass sich überall dort, wo sich ein Jungfernsprung oder ein "böser" Teufelsname als Gegendbezeichnunggehalten hat, eine Kultstätte des dunklen Gottes befunden habe. Gegenüber, dort also, wo es St.-Veit-Kirchen gibt oder "helle" Namen, dort vermutet man, dass der Sonnengott seinen Platz gehabt hätte. Dass so ein Zusammenhang möglich sein könnte, dafür sprechen einige Gegendbezeichnungen: Gegenüber dem düsteren Jungfernsprung bei Deutsch-Feistritz findet sich der Name "Himmelreich", bei Eisenerz gegenüber dem "Jungfern-Kogel" mit der steil abfallenden "Bösen Mauer" der "Sonnstein".
Es mag nahe liegend sein und wohl auch verlockend, hier Zusammenhänge zu suchen, die eine solche These erklären. Dennoch, wir reden hier nicht von Tatsachen, sondern von Hypothesen. Und eines darf nicht vergessen werden: Offensichtlich regten steile Felsen wie auch andere ungewöhnliche und Angst einflößende Phänomene die Phantasie des Volkes an und gaben Anlass zur Sagenbildung.
Ein Pfarrer aus Proleb, am portugiesischen Königshof#
Einer von ihnen war Jakob Motz, der als gelehrter Priester und Hofkaplan des späteren Kaisers Friedrich lll. von diesem zu einer besonderen Mission auserwählt wurde. 1450 reiste er als Geistlicher im schlichten Pilgerkleide mit einem anderen Hofkaplan nach Portugal, um die Prinzessin Leonore als Braut des Kaisers heimzuholen. Am prunkvollen Hofe des portugiesischen Königs erweckten die beiden einiges Aufsehen infolge ihrer niedrigen Stellung. Erst als sich ein Kärntner Adeliger, Christoph von Ungnad, zu ihnen gesellte, nahm der König die Werbung Friedrichs an. Am 1. August 1451 fand in Lissabon die Prokurationsheirat statt, bei der der Pfarrer von St. Veit die Ansprache an seine künftige Kaiserin hielt und ihr den Vermählungskuss gab. Die Brautflotte mit 2000 Personen gelangte über Gibraltar nach Marseille. 27 Tage hatte die Fahrt gedauert, Seekrankheit und Angriffe von Piraten hatten dem Pfarrer arg zugesetzt, sodass er nach drei Monaten, als man in Livorno landete, "ganz hinfällig" war. Er konnte nun Eleonores Brautzug nicht mehr weiter begleiten; das Kaiserpaar wurde am 19. März 1452 in Rom vom Papst Nikolaus V. getraut, nachdem Friedrich dort zuvor zum letzten deutschen Kaiser gekrönt worden war. Eleonore, sein "Schützling", wurde die Mutter Maximilians I. des "letzten Ritters", einer der bedeutendsten europäischen Herrscherpersönlichkeiten.
Das Wappen#
In ein Schild gestellte bleibende farbige Zeichen einer Person oder Gemeinschaft sind Wappen. Sie haben ihren Ursprung in den Schutzwaffen: Ein voll gerüsteter Ritter musste für Freund und Feind durch ein einfaches Zeichen an Schild und Helm gekennzeichnet werden. Waren Wappenverleihungen in früheren Jahrhunderten besondere Auszeichnungen, kann heute jede freie Gemeinde ein Wappen führen.
Die Proleber sind stolz auf ihr Wappen, das hohen künstlerischen und historischen Wert besitzt, stammt das Motiv, eine Rosette, doch von einer Sakristeibank der gesprengten Kirche am Veitsberg. Wir sehen vier Blüten, die in sich sieben Blätter tragen - dies symbolisiert die Jahreszeiten und die Wochentage. Zwischen den Blüten gibt es je sechs Kerben, die Werktage, und eine größere Kerbe, die zur Mitte weist, den Sonntag symbolisierend.
Wenn man sich weiter in dieses Wappen vertieft, entdeckt man immer neue Zeichen, die Zeit und Raum versinnbildlichen, den Lauf des Mondes veranschaulichen und die Zeit und den Rhythmus von Werktag und Sonntag darstellen.
Der arbeitende und feiernde Mensch in Raum, Zeit und Unendlichkeit wird in der Veitsberger Rosette ausgedrückt, die einlädt zum Innehalten und Betrachten.
© Bild und Text Fritz Bayerl, Karl und Inge Friedl