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Eisenblüte und Wildes Wasser#

Wir möchten mit Ihnen, lieber Leser, die Umrundung des Hochschwabs fortsetzen und mit der Präsentation der am Fuße des Hochschwabs gelegenen Gemeinden von Niklasdorf bis Leoben und Vordernberg, über den Präbichl von Eisenerz bis nach Wildalpen fortführen und abschließen. Das erste Buch dieser Reihe befasste sich mit der Region des Mariazellerlandes, im zweiten Buch stellten wir die sechs Alpenregionsgemeinden des Aflenzer Beckens vor. Der zuletzt erschienene Regionsband mit dem Titel "Das Tor zum Hochschwab" führte uns von Oberaich, Bruck an der Mur über St. Katharein nach Tragöß.

Alte Ansicht - auf der Mugl
Alte Ansicht - auf der Mugl

Die Mugel
Mit dem Niklasdorfer Hausberg wollen wir beginnen.#

Wir gehen zuerst einmal auf Distanz zum Hochschwab und betrachten dieses Gebiet mit den romantischen Augen von Peter Rosegger. Wir begleiten Peter Rosegger auf die Mugel, der mit seinen Söhnen 1895 diese Wanderung unternahm, und lassen ihn erzählen:
Pepi Dreiseitl, Hüttenwirtin auf der Mugl von 1936 bis 1981
Pepi Dreiseitl, Hüttenwirtin auf der Mugl von 1936 bis 1981

Wir stiegen aufwärts gegen eine kahle Kuppe, die hinter hohen Waldbergen hervorsteht und auf der ein neues Schutzhaus steht. Dieser schöne Berg führt den nicht schönen Namen "Mugel". Man braucht sich allerdings nicht unter jedem Worte etwas zu denken, das Wort "Mugel" aber will erinnern an etwas Stumpfsinniges, dabei Verschlagenes und Trotziges. Dem Berge täte man damit unrecht, das ist ein harmloser, freundlicher Berg, von dem noch kein Tourist abgestürzt sein dürfte. Ein Hochtourist würde sich einfach schämen, solche Berge zu betreten. Ich aber trachtete einstweilen hinaufzukommen. Der Pfad dahin tut gar geheimnisvoll. Ein herrlicher Bergwald wölbt den wohl erhaltenen, sanft ansteigenden Hohlweg ein, sodass man länger als zwei Stunden in einer grünen Dämmerung dahinwandelt. Ich studierte unterwegs wie gewohnt unsere Generalstabskarte, fand darin aber weder die Moritzhöhe, an deren Fuß wir vorüberkamen, noch den Spitz-Christi, der am Wege steht. Hinter demselben kommt bald der Bergkamm, der Wald lichtet sich, wir sehen vor uns die kahlen Kuppen des Hoch- und Gleinalpenzuges und die steil aufsteigende Kuppe unserer Mugel. In der Abenddämmerung gefiel uns aber noch besser das Leobener Alpenhaus, die Schmollhube, die halb versteckt in einem Kiefernwäldchen vor uns dalag. Eine schöne Zirbelkieferallee führt dahin wie zu einem Herrensitze und im Hause selbst wurden wir abgewiesen. Wer nicht aus Leoben vom Wirtschaftsamt eine Karte mitbringe, der wird nicht aufgenommen, wer eine mitbringt, der genießt als Gast der Bergstadt Leoben freie Herberge im traulichen Gebirgshause. Wir hatten nichts mit und gedachten schon, uns unter einer alten Kiefer häuslich niederzulassen, als ein Hausbewohner der Wirtin zumunkelte: "Das ist der Heimgartenmann!" und dabei auf die Hefte genannter Zeitschrift hindeutete, die auf dem Tische lagen. Von diesem Augenblicke an waren wir daheim in der Schmollhube, die wahrlich ein reizender Schmollwinkel ist, wie man sagt, für Ehemänner. Der Hauswart ist bei Tag ein fleißiger Holzknecht und am Abende ein gemütlicher, plaudersamer Wirt. Eine Unterhaltung mit einfachen Leuten, die Hausverstand und Erfahrung haben, ist für mich immer fruchtbar. Als wir von den schönen Wäldern sprachen, die sich in dieser Gegend so stolz hinbreiten, kam auch noch ein Dritter ins Gespräch, eine richtige Alplergestalt mit langem Rotbart und großer Tabakspfeife, die er stets durch Stein und Schwamm in Brand steckte, was den ganzen Abend eine schöne Beschäftigung gab. "Es wird schier so sein, wie mein Vater immer gesagt hat", bemerkte der Mann während seines Funkenschlagens. "Vor dreihundert Jahren ist in dieser ganzen Landschaft nichts als Wald gewesen und nach dreihundert Jahren wird wieder nichts als Wald sein. Früher haben sie halt mit dem vielen Holz nichts anzufangen gewusst und haben deswegen den Wald verwüstet und schlechte Kornfelder angelegt auf dem Boden. So ist eine bettelhafte Bergbauernschaft geworden - das taugt nichts. Seit es die Eisenbahn gibt, wird's besser. Bald wird wieder alles Wald sein, nichts als schöner, wildreicher Wald, und die Häuser werden nur noch in den Tälern stehen bei der Eisenbahn. Wir Steirer leben von Holz und nicht von Kornbau. Das Holz verkaufen wir teuer, das Korn kaufen wir billig. So ist's."
Holz bei der 'Hüttn'
Holz bei der "Hüttn"


Ich wäre auf eine so bündige Darstellung unserer Volkswirtschaft keines Wortes mächtig gewesen, der Wirt aber tat den Mund auf: "Der Unterschied wird halt der sein: Beim Feldbau hat die Niklasdorfer Pfarr' über neunhundert Einwohner gehabt, bei der Waldwirtschaft werden in der ganzen Pfarr' nicht mehr als etwa dreihundert leben können. Da werden freilich etliche reiche Großteufel dabei sein, die mehreren werden arme Holzknechte und Kohlenbrenner und Fuhrwerker sein und kein eigen Haus und Hof haben."

Als der andere mit der großen Pfeife hinausgegangen war, fragte ich den Wirt, wer es denn wäre?

"Der?", antwortete der Wirt, "der ist ein Jäger." Und jetzt war auch alles klar.

Am nächsten Morgen taufrischer Anstieg auf die Mugel. Bis zur Hollmeierhütte eitel Parkweg am Bergrücken hin. Ober der Hütte waren wir entzückt von dem Anblick der Schwabengruppe, die sich hier das erste Mal darbietet: während der Mensch ins Hochgebirge schaut, kann er nicht auf die Markierung gucken, Folge davon ein Irrweg links durch steilen Wald gegen die Mugelhütte. Trotzdem waren wir nach ein- und einhalbstündiger Wanderung auf der Höhe, wo das neue Schutzhaus leuchtet. Und dieser Himmel! Und diese Luft! Und diese Blumen! Und diese Berge! O Welt, wie bist du schön! - Glückselige Hochstimmung reißt mir manchmal zu tief in die Nerven, ich muss sie unterbrechen. Daher setzte ich mich in das Schutzhaus, aß ein Stückchen Brot und erledigte einen Korrekturbogen des "Waldvogels". Die Arbeit beruhigte mich, nach derselben war ich ausgerastet und konnte mich dem Genusse des Berges hingeben. In den Tälern lag weißer Nebel, die Felsenberge des Hochschwabs, die starrenden Riesen hinter Tmfaiach, als der Reiting, der Reichenstein, die Vordernberger Mauern sind hier von großartiger Wirkung, sie geben der Mugelaussicht den Charakter. Im Nordosten der Sonnwendstein, im Südosten der Schöckel, im Westen der Zirbitzkogel, im Norden die Seemauer, das sind die äußersten Punkte, die an diesem Morgen zu sehen waren. Die übrigen zahllosen Gipfel nenn ich nicht, sie bleiben stehen und können sich jedem selbst vorstellen. Als der Nebel sich in sonnigen Dunst löste, schimmerten in der Tiefe der Murtales die Städte Leoben und Bruck. Das Mürztal liegt in seiner vollen Breite und Länge zu unseren Füßen, besäet von Ortschaften bis hin an den grauen Zug der Kampalpe im fernen Hintergrunde. Gegen Süden verdeckt der nahe Hochalpenzug die Aussicht, sie würde auch nicht viel Großartiges zu bieten haben. Herrlicher Gebieter des Gaues ist und bleibt der Hochschwab.

Auf der Mugel betörte mich eine optische Täuschung. Im Osten, ganz nahe, durch eine flachen Sattel mit der Mugel zusammenhängend, steht das Roßegg. Die Karte gibt an, dass dieses um vierundfünfzig Meter niedriger sei als die Mugel, und das schien mir nach dem Augenmaß ganz und gar unmöglich, ich hätte vielmehr gewettet, dass das Roßegg die Mugel mindestens um dreißig Meter überrage. Mit einem senkrechten Faden und dem Rechteck der Karte bildete ich mir ein Messinstrument an den Balken der Pyramide. Auch das zeigte das Überragen des Roßegg an. Hinter diesem steht der Hohe Lantsch. Wir sind auf der 1632 Meter hohen Mugel, wie kommt es, dass das 1578 Meter hohe Roßegg uns den 1722 Meter hohen Lantsch vollkommen verdecken kann? Ich hätte die Ehre meines Namensvetters gerne gerettet, aber die Generalstabskarte sagt, das Roßegg ist niedriger als die Mugel, und da gibt es wohl keinen Einspruch.

Dass wir übrigens auf unserer Mugel sehr hoch oben waren, zeigte der Abstieg. Zwei volle Stunden steilab hatten unsere Knie zu schnappen, bis wir in Niklasdorfan der Eisenbahnstation angelangt waren. Ins Tal gekommen, schaut man natürlich wieder hinauf zum Gipfel und sagt: Dort oben sind wir gewesen! Und das ist dann allemal eine stolze Befriedigung.

Ur- und früheste Geschichte#

Alte Ansicht der Kletschachalm
Alte Ansicht der Kletschachalm
Die gefundene Lanzenspitze
Die gefundene Lanzenspitze

Als wohl einer der ältesten Funde dieses Gebietes dürfen der Backenzahn und das Fragment eines Schenkelknochens eines Mammuts aus den späteiszeitlichen Niederterrassenschottern von Niklasdorf angesehen werden. Dieser Fund wurde 1941 in 3,5 Meter Tiefe am Murufer zwischen Brück und Leoben, 300 Meter nördlich von km 13,1, gemacht.

Altsteinzeitliche Funde hat man nur an der Peripherie, nahe der gebirgigen Bezirksgrenze bei Hieflau gemacht. Diese Spuren weisen auf einen zeitweiligen Aufenthalt des Menschen im Paläolithikum hin. In der Nähe von Hieflau, im Hartlesgraben, hat man in etwa 1230 Meter Höhe in einer Höhle Höhlenbärenknochen gefunden, die den Eindruck erwecken, dass sie zwecks Markgewinnung abgeschlagen wurden.

Bild 'eisenbluete_1_07'

Steinbeilfunde aus der Jungsteinzeit um etwa 4000 vor Chr. aus dem nahen Mühltal und in Nennersdorf lassen durchaus auf bereits erste bäuerliche Besiedlung schließen.

Um ca. 2300 v. Chr. begann man Bronze herzustellen, und diese Legierung aus Kupfer und Zinn verleiht jener Zeit auch den Namen Bronzezeit. Sowohl am Weg zur Kletschachalm als auch in der Umgebung von Leoben und Vordernberg sowie bei Eisenerz wurden Bronzewerkzeuge gefunden.

Besonders bedeutende Funde sind uns aus Leoben-Hinterberg bekannt. In Urnenfeldergräbern tauchen Beigaben aus Eisen auf und markieren eine neue Epoche, nämlich die Eisenzeit.

Bild 'eisenbluete_1_08'

Im Dezember 1953 konnte einige hundert Meter unterhalb der Kletschachalm beim Bau einer Forststraße von dem "Steinerbauern" und dem Baggerfahrer Stadlober eine bronzene Lanzenspitze mit Tülle geborgen werden. Sie dürfte schon als umenfelderzeitlich einzuordnen sein und damit in die Zeit um ca. 1000 vor Christus hineinfallen.

Bei diesem Wegbau zwischen 16. November und 11. Dezember 1953 wurden unter schwierigsten Bedingungen für Mensch und Maschine rund 15.000 m3 Material verfrachtet. 1200 kg Donarit und 1750 Stück Sprengkapseln waren notwendig, um einen Weg von 5 Kilometer Länge mit einer durchschnittlichen Steigung von 12 % zu bewältigen.

Bei weitem nicht so bedeutend wie Flavia Solva war unser Gebiet zui Römerzeit, doch in verwaltungsmäßiger Hinsicht gehörte der Raum um Leober in der römischen Kaiserzeit wohl noch zum Stadtbezirk von Flavia Solva, teilweise auch zu jenem von Lauriacum (Lorch, Oberösterreich). Aus Seiz, Leoben-Waasen, Traboch und vom Veitsberg sind römische Inschriftensteine bekannt, Vervicius und Decius, möglicherweise Arbeiter im Kalksteinbruch, haben sich in Donawitz an einer Felswand verewigt. Die bedeutende Grabkapelle in Donawitz und zahlreiche Münz- und Streufunde aus der Römerzeit belegen die Besiedlung unseres Raumes zur Römerzeit.


© Bild und Text Fritz Bayerl, Karl und Inge Friedl