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Der Kampf mit dem Dämon - Hölderlin · Kleist · Nietzsche
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Das Hölderlinsche Gedicht Ein Rätsel ist Reinentsprungenes. Auch Der Gesang kaum darf es enthüllen. Denn Wie du anfingst, wirst du bleiben. Von der griechischen Vierzahl der Elemente – Feuer, Wasser, Luft und Erde – hat das Hölderlinsche Gedicht nur drei: die Erde fehlt darin, die trübe und haftende, die bindende und bildende, Sinnbild der Plastik und Härte. Sein Gedicht ist aus dem Feuer gestaltet, das flackernd nach oben fährt, Sinnbild des Aufschwungs, der ewigen Himmelfahrt, es ist leicht wie die Luft, ewige Schwebe, Wolkenwanderung und tönender Wind, und es ist rein wie das Wasser, diaphan. Alle Farben glüht es durch, immer ist es bewegt, ein unablässiges Hinauf und Hinab, ewiges Atmen des schöpferischen Geistes. Sie haben keine Wurzeln nach unten, seine Verse, keine Haft im Erlebnis, sie heben sich immer feindlich ab von der schweren fruchthaften Erde: etwas Heimatloses, Ruheloses ist ihnen allen zuteil, etwas von himmelhin wandernden Wolken, die bald das Frührot der Begeisterung anglüht, bald der Schatten er Schwermut dunkel macht, und oft fährt aus ihrer düster geballten Dichte der zündende Blitz und der Donner der Wahrsagung. Aber immer wandern sie oben, in der höheren, der ätherischen Sphäre, immer abgelöst von der Erde, unerreichbar der sinnlichen Belastung, fühlbar nur dem Gefühl. »Im Liede wehet ihr Geist«, sagt Hölderlin einmal von den Dichtern, und in diesem Wehen und Schweben löst sich Erlebnis in Musik so vollkommen auf wie Feuer im Rauch. Alles ist aufwärts gerichtet: »Durch Wärme treibt sich der Geist empor« – durch Verbrennung, Verdunstung, Verklärung des Stofflichen sublimiert sich das Gefühl. Dichtung ist im Hölderlinschen Sinn immer also Auflösung der festen, der erdhaften Materie in Geist, Sublimierung der Welt in den Weltgeist, niemals aber Verdichtung, Ballung und Verirdischung. Goethes Gedicht, selbst das geistigste, hat immer noch Substanz, es fühlt sich fruchthaft an, man kann es rund mit allen Sinnen umfassen (indes jenes Hölderlins entschwebt). Mag es noch so sublimiert sein, so fehlt ihm nie jener Rest warmer Körperlichkeit, ein Aroma von Zeit, von Lebensalter, ein salziger Schmack von Erde und Schicksal: immer ist ein Teil des Individuums Johann Wolfgang Goethes darin, und ein Stück seiner Welt. Hölderlins Gedicht entindividualisiert bewußt – »das Individuelle widerstreitet dem Reinen, welcher es begreift«, sagt er dunkel und doch offenbar. Durch diesen Mangel an Materie hat nun sein Gedicht eine besondere Statik, es ruht nicht kreishaft in sich selbst, sondern hält sich wie ein Flugzeug nur durch den Schwung: immer überkommt einen die Empfindung des Engelhaften – dies Reine, Weiße, Geschlechtlose, 74
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Der Kampf mit dem Dämon Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Title
Der Kampf mit dem Dämon
Subtitle
Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Author
Stefan Zweig
Date
1925
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
202
Keywords
Literatur, Schriftsteller
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Vorwort 5
  2. Teil 1 - Hölderlin 15
    1. Die heilige Schar 17
    2. Kindheit 21
    3. Bildnis in Tübingen 26
    4. Mission des Dichters 29
    5. Der Mythus der Dichtung 34
    6. Phaeton oder die Begeisterung 40
    7. Ausfahrt in die Welt 46
    8. Gefährliche Begegnung 48
    9. Diotima 56
    10. Nachtigallengesang im Dunkeln 61
    11. Hyperion 63
    12. Der Tod des Empedokles 68
    13. Das Hölderlinsche Gedicht 74
    14. Sturz ins Unendliche 81
    15. Purpurne Finsternis 87
    16. Scardanelli 91
  3. Teil 2 - Heinrich von Kleist 95
    1. Der Gejagte 97
    2. Bildnis des Bildnislosen 100
    3. Pathologie des Gefühls 103
    4. Lebensplan 111
    5. Ehrgeiz 115
    6. Der Zwang zum Drama 119
    7. Welt und Wesen 125
    8. Der Erzähler 129
    9. Die letzte Bindung 133
    10. Todesleidenschaft 136
    11. Musik des Untergangs 140
  4. Teil 3 - Friedrich Nietzsche 143
    1. Tragödie ohne Gestalten 145
    2. Doppelbildnis 149
    3. Apologie der Krankheit 153
    4. Der Don Juan der Erkenntnis 161
    5. Leidenschaft der Redlichkeit 166
    6. Wandlungen zu sich selbst 172
    7. Entdeckung des Südens 178
    8. Flucht zur Musik 185
    9. Die siebente Einsamkeit 189
    10. Der Tanz über dem Abgrund 193
    11. Der Erzieher zur Freiheit 199
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