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Der Kampf mit dem Dämon - Hölderlin · Kleist · Nietzsche
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Welt und Wesen Froh kann ich nur in meiner eigenen Gesellschaft sein, weil ich da ganz wahr sein darf. Aus einem Brief Kleist hat wenig von der Wirklichkeit gewußt, aber unendlich viel von der Wesenheit: er lebte fremd, ja feindlich inmitten seiner Zeit und Sphäre, verstand der anderen Menschen Lauheit und Verbindlichkeit kaum mehr, als sie seine eigenbrötlerische Stockigkeit, seine fanatische Übertreiblichkeit. Seine Psychologie war wehrlos, vielleicht sogar augenlos gegenüber dem allgemeinen Typus, gegen alle Erscheinungen mittleren Maßes: erst wo er Gefühle gewaltsam vergrößert, Menschen in höhere Dimensionen steigert, beginnt sein seherischer Sinn. Nur in den Leidenschaften, im Übermaß der innern ist er der äußern Welt verbunden, nur dort, wo die Natur der Menschen dämonisch, wo sie abgründig und unvermutet wird, hört seine Isolierung auf: wie manche Tiere sieht er nicht klar im Licht, sondern erst im Zwitterschein des Gefühls, in Nacht und der Dämmerung des Herzens. Das Unterste, das Vulkanisch-Feuerflüssige der Menschennatur scheint seiner wahren Sphäre einzig glühend verwandt. Er war zu ungeduldig, um kühl zu beobachten, um auf die Dauer realistisch zu experimentieren – so beschleunigt er durch Erhitzung das Wachstum der Geschehnisse zu einer wilden Tropik: nur das Glühende, der leidenschaftliche Mensch wird ihm zum Problem. Im letzten hat er keine Menschen geschildert, sondern sein Dämon hat den Bruder in ihnen hinter aller Irdischkeit erkannt, die Dämonie der Gestalten, die Dämonie der Natur. Darum sind alle seine Helden so gleichgewichtslos: sie sind alle mit einem Teil ihres Wesens schon über die Sphäre des täglichen Lebens hinaus, jeder einzelne ein Übertreiber seiner Leidenschaft. Alle diese unbändigen Kinder seiner exzessiven Phantasie sind, wie Goethe von der Penthesilea sagte, »aus einem sonderbaren Geschlecht«, und jeder trägt seines Wesens Zug, das Nicht-Konziliante, das Herbe, Eigenwillige und Unbeeinflußbare: auf den ersten Blick erkennt man ihr Kainszeichen, daß sie zerstören müssen oder selbst zerstört werden. Alle haben sie diese sonderliche Mischung von Heiß und Kalt, von Zuwenig und Zuviel, von Brunst und Scham, von Überfließen und Verhalten, dies Wetterwendische und Wetterleuchtende, die bis zum Blitz elektrisch geladenen Nerven. Alle beunruhigen sie selbst den, der sie lieben will (wie Kleist selbst seine Freunde): deshalb ist ihr Heldentum nie populär, nie verständlich für das deutsche Volk geworden, niemals ein Schullesebuch- Heldentum. Selbst das Käthchen, das nur einen Schritt noch ins Banale, ins 125
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Der Kampf mit dem Dämon Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Title
Der Kampf mit dem Dämon
Subtitle
Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Author
Stefan Zweig
Date
1925
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
202
Keywords
Literatur, Schriftsteller
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Vorwort 5
  2. Teil 1 - Hölderlin 15
    1. Die heilige Schar 17
    2. Kindheit 21
    3. Bildnis in Tübingen 26
    4. Mission des Dichters 29
    5. Der Mythus der Dichtung 34
    6. Phaeton oder die Begeisterung 40
    7. Ausfahrt in die Welt 46
    8. Gefährliche Begegnung 48
    9. Diotima 56
    10. Nachtigallengesang im Dunkeln 61
    11. Hyperion 63
    12. Der Tod des Empedokles 68
    13. Das Hölderlinsche Gedicht 74
    14. Sturz ins Unendliche 81
    15. Purpurne Finsternis 87
    16. Scardanelli 91
  3. Teil 2 - Heinrich von Kleist 95
    1. Der Gejagte 97
    2. Bildnis des Bildnislosen 100
    3. Pathologie des Gefühls 103
    4. Lebensplan 111
    5. Ehrgeiz 115
    6. Der Zwang zum Drama 119
    7. Welt und Wesen 125
    8. Der Erzähler 129
    9. Die letzte Bindung 133
    10. Todesleidenschaft 136
    11. Musik des Untergangs 140
  4. Teil 3 - Friedrich Nietzsche 143
    1. Tragödie ohne Gestalten 145
    2. Doppelbildnis 149
    3. Apologie der Krankheit 153
    4. Der Don Juan der Erkenntnis 161
    5. Leidenschaft der Redlichkeit 166
    6. Wandlungen zu sich selbst 172
    7. Entdeckung des Südens 178
    8. Flucht zur Musik 185
    9. Die siebente Einsamkeit 189
    10. Der Tanz über dem Abgrund 193
    11. Der Erzieher zur Freiheit 199
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