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Der Kampf mit dem Dämon - Hölderlin · Kleist · Nietzsche
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Der Gejagte Ich bin dir wohl ein Rätsel. Nun tröste dich; Gott ist es mir. Die Familie Schroffenstein Es gibt keine Windrichtung Deutschlands, in die er, der Ruhelose, nicht gefahren ist, es gibt keine Stadt, in der er, der ewig Heimatlose, nicht gehaust hat. Fast immer ist er unterwegs. Von Berlin saust er mit der rollenden Postkutsche nach Dresden, ins Erzgebirge, nach Bayreuth, nach Chemnitz, plötzlich jagt es ihn nach Würzburg, dann fährt er quer durch den napoleonischen Krieg nach Paris. Ein Jahr will er dort bleiben, aber schon nach wenigen Wochen flüchtet er in die Schweiz, wechselt Bern mit Thun, und Basel wieder mit Bern, fällt jählings wie ein geschleuderter Stein in Wielands stilles Haus zu Oßmannstedt. Und über Nacht treibt es ihn wieder fort, nochmals rennt er auf heißen Speichen über Mailand und die italienischen Seen nach Paris, stürzt sich sinnlos nach Boulogne mitten in eine fremde Armee und wacht dann plötzlich todkrank in Mainz auf. Und wieder wirft es ihn hinüber nach Berlin, nach Potsdam: ein Jahr lang nagelt ihn, den Unbeständigen, ersehntes Amt in Königsberg an, dann bricht er wieder los, will quer durch die marschierenden Franzosen nach Dresden, wird aber als vermeintlicher Spion nach Châlons geschleppt. Kaum befreit, flirrt er im Zickzack durch die Städte, stürmt von Dresden, mitten im österreichischen Krieg, nach Wien, wird bei Aspern während der Schlacht verhaftet und rettet sich nach Prag. Manchmal verschwindet er monatelang wie ein unterirdischer Fluß, taucht tausend Meilen weiter wieder auf: schließlich schleudert die Schwerkraft den Gejagten zurück nach Berlin. Ein paarmal zuckt er mit zerbrochenem Flügel noch hin und her, ein letztes Mal tastet er hinüber nach Frankfurt, bei der Schwester, bei den Verwandten ein Dickicht zu finden vor dem furchtbaren Jäger, der hinter ihm hetzt. Aber er findet keine Rast. So steigt er zum letztenmal in den Reisewagen (sein wahres, sein einziges Haus in all den vierunddreißig Jahren) und fährt hinaus an den Wannsee, wo er sich die Kugel in den Kopf schmettert. An einer Landstraße ist sein Grab. Was treibt Kleist auf diesen Reisen? Oder vielmehr: was treibt ihn? Hier hilft keine Philologie: seine Reisen sind fast alle im letzten ganz sinnlos, sie haben keine Zwecke und kaum auch nur bestimmte Ziele. Sachlich sind sie nicht zu erklären. Was biedere Forschung da Gründe nennt, sind meist nur Vorwände, künstliche Masken vor dem Antlitz des Dämons. Nüchternen bleibt dieser ahasverische Trieb ewig rätselhaft: es ist darum auch kein Zufall, daß er dreimal als Spion verhaftet wird. In Boulogne rüstet Napoleon zur 97
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Der Kampf mit dem Dämon Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Title
Der Kampf mit dem Dämon
Subtitle
Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Author
Stefan Zweig
Date
1925
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
202
Keywords
Literatur, Schriftsteller
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Vorwort 5
  2. Teil 1 - Hölderlin 15
    1. Die heilige Schar 17
    2. Kindheit 21
    3. Bildnis in Tübingen 26
    4. Mission des Dichters 29
    5. Der Mythus der Dichtung 34
    6. Phaeton oder die Begeisterung 40
    7. Ausfahrt in die Welt 46
    8. Gefährliche Begegnung 48
    9. Diotima 56
    10. Nachtigallengesang im Dunkeln 61
    11. Hyperion 63
    12. Der Tod des Empedokles 68
    13. Das Hölderlinsche Gedicht 74
    14. Sturz ins Unendliche 81
    15. Purpurne Finsternis 87
    16. Scardanelli 91
  3. Teil 2 - Heinrich von Kleist 95
    1. Der Gejagte 97
    2. Bildnis des Bildnislosen 100
    3. Pathologie des Gefühls 103
    4. Lebensplan 111
    5. Ehrgeiz 115
    6. Der Zwang zum Drama 119
    7. Welt und Wesen 125
    8. Der Erzähler 129
    9. Die letzte Bindung 133
    10. Todesleidenschaft 136
    11. Musik des Untergangs 140
  4. Teil 3 - Friedrich Nietzsche 143
    1. Tragödie ohne Gestalten 145
    2. Doppelbildnis 149
    3. Apologie der Krankheit 153
    4. Der Don Juan der Erkenntnis 161
    5. Leidenschaft der Redlichkeit 166
    6. Wandlungen zu sich selbst 172
    7. Entdeckung des Südens 178
    8. Flucht zur Musik 185
    9. Die siebente Einsamkeit 189
    10. Der Tanz über dem Abgrund 193
    11. Der Erzieher zur Freiheit 199
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