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Der Kampf mit dem Dämon - Hölderlin · Kleist · Nietzsche
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Musik des Untergangs Nicht jeden Schlag ertragen soll der Mensch, Und welchen Gott faßt, denk ich, der darf sinken. Die Familie Schroffenstein Andere Dichter haben großartiger gelebt, weiter ausholend im Werke, Weltschicksal aus ihrer eigenen Existenz fördernd und verwandelnd: herrlicher als Kleist ist keiner gestorben. Von allen Toden ist kein Tod so umrauscht von Musik, so ganz Trunkenheit und Aufschwung wie der seine; als dionysisches Opferfest endet dies »qualvollste Leben, das je ein Mensch geführt« (Todesbrief). Dem alles im Leben elend, ja jämmerlich mißlang, gelingt der dunkle Sinn seines Seins: der heroische Untergang. Manche (Sokrates, André Chénier) haben in jener letzten Sekunde es bis zu einem Moderato des Gefühls gebracht, zu einer stoischen, ja lächelnden Gleichgültigkeit, zu einem weisen, klaglos hingenommenen Sterben – Kleist, der ewige Übertreiber, steigert auch den Tod empor in eine Leidenschaft, einen Rausch, eine Orgie und Ekstase. Sein Untergang ist ein Seligsein, ein Hingegebensein, wie er es nie im Leben gekannt – entbreitete Arme, trunkene Lippen, Frohmut und Überschwang. Singend wirft er sich hinab in den Abgrund. Nur einmal, nur dieses einzige Mal ist Kleisten die Lippe, die Seele gelöst, zum erstenmal hört man diese dumpfe gepreßte Stimme in Jubel und Gesang. Niemand hat ihn gesehen außer der Sterbensgefährtin in jenen Abschiedstagen, aber man fühlt es, sein Auge muß wie das eines Trunkenen, sein Antlitz erhellt gewesen sein vom Widerstrahl innerer Freude. Was er tut, was er schreibt in jenen Stunden, übertrifft sein höchstes Maß – die Todesbriefe sind für mein Empfinden das Vollendetste, das er geschaffen, letzter Aufschwung wie die Dionysos-Dithyramben Nietzsches, die Nachtgesänge Hölderlins: in ihnen weht Luft unbekannter Sphären, eine Freiheit über alle Irdischkeit. Musik, seine tiefste Neigung, die er in der Jugend heimlich im stillen Gelaß an der Flöte übte, die aber sich der gepreßten, verkrampften Lippe des Dichters eigenwillig verschloß – nun tut sie sich ihm auf, zum erstenmal strömt der Verschlossene über in Rhythmus und Melodie. In diesen Tagen schreibt er sein einziges wirkliches Gedicht, einen mystisch-trunkenen Liebesüberschwall, die »Todeslitanei« ein Gedicht, ganz voll Dunkelheit und Abendrot, halb Stammeln, halb Gebet und doch magisch schön jenseits allen wachen Sinns. Alle Stockigkeit, alle Härte, alle Schärfe und Geistigkeit, das kalte Licht von Geist, das sonst nüchternd über seiner heißesten Bemühung hinfällt, ist von der Musik erlöst, das Preußisch- 140
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Der Kampf mit dem Dämon Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Title
Der Kampf mit dem Dämon
Subtitle
Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Author
Stefan Zweig
Date
1925
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
202
Keywords
Literatur, Schriftsteller
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Vorwort 5
  2. Teil 1 - Hölderlin 15
    1. Die heilige Schar 17
    2. Kindheit 21
    3. Bildnis in Tübingen 26
    4. Mission des Dichters 29
    5. Der Mythus der Dichtung 34
    6. Phaeton oder die Begeisterung 40
    7. Ausfahrt in die Welt 46
    8. Gefährliche Begegnung 48
    9. Diotima 56
    10. Nachtigallengesang im Dunkeln 61
    11. Hyperion 63
    12. Der Tod des Empedokles 68
    13. Das Hölderlinsche Gedicht 74
    14. Sturz ins Unendliche 81
    15. Purpurne Finsternis 87
    16. Scardanelli 91
  3. Teil 2 - Heinrich von Kleist 95
    1. Der Gejagte 97
    2. Bildnis des Bildnislosen 100
    3. Pathologie des Gefühls 103
    4. Lebensplan 111
    5. Ehrgeiz 115
    6. Der Zwang zum Drama 119
    7. Welt und Wesen 125
    8. Der Erzähler 129
    9. Die letzte Bindung 133
    10. Todesleidenschaft 136
    11. Musik des Untergangs 140
  4. Teil 3 - Friedrich Nietzsche 143
    1. Tragödie ohne Gestalten 145
    2. Doppelbildnis 149
    3. Apologie der Krankheit 153
    4. Der Don Juan der Erkenntnis 161
    5. Leidenschaft der Redlichkeit 166
    6. Wandlungen zu sich selbst 172
    7. Entdeckung des Südens 178
    8. Flucht zur Musik 185
    9. Die siebente Einsamkeit 189
    10. Der Tanz über dem Abgrund 193
    11. Der Erzieher zur Freiheit 199
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