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Ăśberblick 51
Rudolf von Stams
Inhalt
richtet ĂĽber eine Sonnenfinsternis im Jahr 1415) : So wurde beispielsweise zum
Jahr 1208 ein Eintrag zur Ermordung König Philipps von Schwaben in Bamberg
durch den Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach gemacht (Anno Domini M°CC°VIII
Philipus rex apud Babenberch occiditur a comite palatino de Witlespach, hier und im
Folgenden zitiert nach Holder-Egger 1896, 721–723), zum Jahr 1231 ein Eintrag
zum Attentat auf Herzog Ludwig I. von Bayern in Kelheim, als dessen Drahtzieher
Friedrich II. genannt wird (Anno Domini M°CC°XXXI° Ludewicus dux Bavarie oc-
ciditur a quodam Sarraceno apud Chelheim Fr[iderico] cesare procurante).
In einer Hs. aus dem Zisterzienserkloster Stams im Tiroler Oberinntal (Cod.
67) ist eine Sammlung von Heilungsmirakeln ĂĽberliefert, die Rudolf von Stams
zugeschrieben wird und die zu den ersten in Stams geschriebenen Texten gehört.34
1273 kam Rudolf (von Knapp 2000 mit Rudolf von HĂĽrnheim identifiziert, der
Kustode im Kloster Frauenzimmern war, wo er auch seine Verwandte Hildegard
von HĂĽrnheim unterrichtete) nach Stams, um dort ein Kloster zu grĂĽnden, wie er
in seinem Prolog schreibt ; 1289 wurde er zum dritten Abt von Stams gewählt, am
20. März 1294 starb er. Bei dieser Hs. handelt es sich um eine Sammlung, die als
ersten Teil u.a. den Liber miraculorum („Buch der Wunder“) Herberts von Clair-
vaux in einer Kurzfassung enthält, als zweiten Teil Rudolfs Mirakelsammlung, die
vor dessen Wahl zum Abt35 in Stams entstanden ist.
Rudolfs Sammlung enthält 98 lokale Mirakelepisoden, bei denen es sich vor-
nehmlich um Berichte ĂĽber Wunderheilungen (s. Wittmer-Butsch/Rendtel 2003)
handelt : wie Menschen von chronischen Leiden wie Husten, Kopfschmerzen usw.
oder von an und fĂĽr sich unheilbaren bzw. als unheilbar geltenden Leiden wie Blind-
heit, Stummheit, Epilepsie geheilt wurden, nachdem sie eine Wallfahrt zum Johan-
nesaltar in Stams gelobt hatten bzw. nach Stams gepilgert waren (zur Wallfahrts-
stätte Stams s. Ernst 1973). Da Knapp 2000, 101 die Datierung 1288 fälschlich als
1328 (wenn auch mit Fragezeichen versehen) liest, nimmt er an, dass die Wunder
ab Kap. 93 nicht mehr von Rudolf stammen, eine Annahme, die mit der korrekten
Lesung der Datierung keine BegrĂĽndung mehr hat. Der ausladende Prolog, der
den Mirakeln vorangeht, bildet eine ungewöhnliche Einleitung : Rudolf prangert
darin Heiden, Juden und Ketzer an und bezichtigt sie der superbia („Hochmut“),
avaritia („Habsucht“) bzw. luxuria („Ausschweifung“) ; was er etwa über die Juden
ausführt, steht „gleichsam in der Mitte zwischen scholastischer Kontroverstheolo-
34 Erstmals eingehender untersucht von Knapp 2000 und von diesem in Anlehnung an den hs. Titel
des Prologes mit dem Titel Miracula, que in Stams a domino per Beatum Johannem perpetrantur
(„Wunder, welche in Stams vom Herrn durch den Seligen Johannes vollbracht werden“) versehen.
35 Laut Album Stamsense 6, das zu Rudolf in Anm. 1 vermerkt : „Scripsit : Liber miraculorum S.Â
Joannis
Bapt. (1288)“.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăśberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593