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Dichtung 89
mehr als
Panegyrik
Locher,
Nenia Sigismundi
der Überbringer mitteilen. Die Edition scheint dann nicht zustande gekommen
zu sein ; man weiß von den diesbezüglichen Plänen nur durch das vorliegende
Gedicht. Carm. III (Bl. 143r ; abgedruckt bei Zingerle 1880, XXXIV), ein acht-
zeiliges Epigramm, ist das einzige erhaltene Gedicht von Fuchsmagen selbst. Es
ist ebenfalls ein Begleitschreiben, und zwar zu einer Drachenzunge, die Fuchsma-
gen aus Ungarn einem Freund, dem kaiserlichen Protonotar Ritter Florian Wald-
auf von Waldenstein, als Geschenk nach Innsbruck schickt. Dazu erfindet er ein
scherzhaftes Geschichtlein, das an ein Lokalkuriosum und eine sich um dieses
rankende aitiologische Sage anknüpft : In Wilten wurde die Zunge eines Drachen
gezeigt, den der Riese Haymon dort erschlagen haben soll. Fuchsmagen behaup-
tet nun, der Vater dieses Drachen sei damals vor Schreck nach Ungarn geflohen,
und von ihm stamme die nun übersandte Zunge. Sie gehört also einem älteren
und, wie man annehmen kann, deshalb noch größeren und schrecklicheren Dra-
chen und übertrumpft so das Wiltener Exponat.
Die Tiroler Gedichte des Codex und der Appendix Fuchsmagen lassen sich, wie
auch die Hs. als Ganzes, schwer auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Wenn
man zusammenfassend einen Aspekt betonen kann, so ist es neben ihrer überdurch-
schnittlichen Qualität gerade ihre thematische Vielfalt. Man hat in letzter Zeit oft
die panegyrische Funktion und die ihr zugrunde liegende Logik „Lob gegen Geld“
hervorgehoben, welche die nlat. Hofdichtung und damit auch den Codex Fuchsma-
gen prägen (Nocker 1996) – gewiss zu Recht : Herrscher- und Beamtenlob sowie
Bitten um Remuneration sind tatsächlich prominent vertreten. Doch neben ihnen
stehen Klagen über die eigene Armut und den Geiz der Mächtigen, schonungslose
Beschreibungen der Öde des Hoflebens, Erlebnisdichtung, Obszönitäten, Scherze
unter Freunden und Kuriosa : All das nahm ein kaiserlicher Rat in eine Hs. auf,
die nichtsdestoweniger repräsentativen Charakter haben sollte. Dies zeigt, dass die
Dichter sich nicht ausschließlich als poetische Lobredner, Fuchsmagen und seine
Kollegen sich nicht ausschließlich als Gegenstände der Panegyrik sahen. Trotz der
offensichtlichen sozialen und wirtschaftlichen Zwänge, die diese Dichtung mitdik-
tierten, war beiderseits eine gewisse kritische Distanz und ein Bedürfnis nach Frei-
räumen vorhanden.
Als Sigmund von Tirol am 4. 3. 1496 verstarb, verfasste der damals gerade 24-jäh-
rige Jakob Locher aus Ehingen, der später als Dichter, Philologe, Polemiker und
Professor in Freiburg i.B. und Ingolstadt zu einem der bedeutendsten Humanisten
seiner Zeit im süddeutschen Raum werden sollte (Heidloff 1975 ; Kühlmann/Niehl
2009), einen poetischen Nachruf auf ihn. Locher unterhielt schon früh Beziehun-
gen zu den literarischen Kreisen um Maximilian, wie bereits die Tatsache zeigt, dass
dieser ihm 1497 die Würde eines poeta laureatus verlieh. Offenbar hat es mit diesen
Beziehungen zu tun, dass er seiner Trauer über Sigmunds Tod in einem literarischen
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593