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Biographie 127
Tendenz
konnten sie es wagen, ihren Bischof sogar vorĂĽbergehend gefangen zu nehmen.
Putsch schildert die Umstände seiner Festnahme in schillernden Farben und mit
viel Pathos (293) :
Et sic venerant omnes in unum congregati. et magister Hainricus Seldendorn tamquam Judas
antecedebat eos nisi cum uno famulo et pulsavit ad portam que illico fuit sibi aperta prout
moris et antea factum fuit. […] quod cum dictum fuisset michi, ego dedi eis obviam et benigne
suscepi eos et ipsi mihi referebant grates et singuli manus suas porrexerunt. Statim ego misi pro
malfasia et duxi eos mecum supra ad stubam meam et cum ego vellem intrare cameram meam
et ipsis portare triseam et cum venissem prope ianuam camere, Oswaldus de Wolkenstain dedit
mihi unum magnum ictum cum pugno trudens me retro dicens : „Stett still, es ist nimmer als
vor !“ Ego vero respondi : „Wie tuest also, ich gelaub du seist nit wol bey dir selber.“ Et ipse :
„Siczt pald nieder oder ir muesst leiden, das ihr ungern leidt.“
Und so waren sie alle gekommen, um gegen einen einzigen vorzugehen. Meister Hein-
rich Seldendorn schritt wie Judas mit einem einzigen Diener vor ihnen her. Er klopfte an
die Tür, die ihm unverzüglich geöffnet wurde, wie es auch vorher immer Sitte gewesen
war. […] Nachdem man mir dies gemeldet hatte, ging ich ihnen entgegen und hieß sie
freundlich willkommen. Sie selbst dankten mir und streckten mir ihre Hände entgegen.
Sofort schickte ich nach Malvasierwein und fĂĽhrte sie mit mir in meine Stube. Als ich ein-
treten und ihnen eine trisea [Bedeutung unklar] bringen wollte und schon ganz nahe bei
der Zimmertür war, versetzte mir Oswald von Wolkenstein mit der Faust einen kräftigen
Schlag und stieß mich mit folgenden Worten zurück : „Halt, es ist nun nicht mehr wie
zuvor !“ Ich aber antwortete : „Was tust du denn ? Ich glaube, du bist nicht mehr ganz bei
Sinnen !“ Darauf er : „Setzt Euch sofort, oder ihr müsst erdulden, was ihr ungern erduldet !“
An der Tatsache, dass sich der Bischof bezüglich der von seinen Anklägern erhobe-
nen Beschuldigungen nur in vagen Andeutungen verliert und am Umstand, dass
seine Gegner sogar seinen Freund Herzog Friedrich auf ihre Seite ziehen konnten,
lässt sich erahnen, dass die Vergehen Ulrichs wohl schwerwiegender waren als bloße
Eingriffe in die Kompetenzbereiche des Domkapitels.7
Die tendenziösen Züge, die Putschs Darstellung dieses Konflikts, der erst nach
Einschreiten von Kaiser Sigismund beigelegt werden konnte, charakterisieren, zei-
gen sich auch in den anderen Teilen des Werkes. Besonders auffällig sind die bei-
nahe obsessiven Verweise auf den sparsamen und auf Vermehrung bedachten Um-
gang mit dem Diözesanvermögen. So mokiert sich Putsch gleich zu Beginn des
Werkes darüber, dass sein Vorgänger Bertold von Bückelsburg ihm einen Schul-
7 Vgl. Sparber 1968, 131–132.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăśberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593