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138 Von der Tiroler Landeseinheit bis zum Tod Kaiser Maximilians
I. (1519)
didaktische
Funktion
Freundschaft Nach der relativ lang ausgeformten polemischen Spitze am Beginn der Aussage
schwenkt Tritonius geschickt in eine Relativierung seiner Aussage um, welche sich
letztlich nicht nur nicht als Kritik entpuppt, sondern noch dazu Aufhänger für eine
Zuneigungsbekundung ist. Somit steht am Ende eine völlig unerwartete Aussage :
Egal, wie der Schreiber der Zeilen das Buch bekommen hätte, es hätte ihm in jedem
Fall zum Vorteil gereicht. Dass nun gerade ein Buch Dreh- und Angelpunkt dieser
unbedingten Glückseligkeit ist, mag mit Blick auf die Ideale eines Humanisten
schwerlich ein Zufall sein : Es spiegelt sich darin das Credo wider, dass das Streben
nach Bildung in jedem Fall gewinnbringend ist.
Als weitere Eigenart des Humanistenbriefes findet sich überdies das Bestreben,
den Empfänger über allerlei Wissenswertes in Kenntnis zu setzen, das sich der
Schreiber während seines Aufenthaltes angeeignet hat – somit erfüllt der Brief also
auch eine didaktische Funktion. Nach der Floskel, dass der Brief zu kurz sei, um
alles neu erworbene Wissen zu Papier zu bringen, berichtet Tritonius kurz über
die zweifelhaften Diskussionsmethoden der Italiener – mit folgender Begründung
(Rupprich 1934, Nr. 282, S. 513) :
Haec icciro ad te perscribere volui, ut tu pro tua sapientia nationis eius mores, quae cum tibi in
ceteris cognotissimae sint, tum in his quoque pensiculare posses.
Ich habe dir dies deswegen geschrieben, damit das, was du über die Gepflogenheiten dieses
Landes ohnehin schon weißt (du kennst dich in diesem Bereich ja sehr gut aus) auch an-
hand dieser Informationen noch schärfere Konturen annimmt.
Die Anmerkung, Tritonius habe anlässlich einer solchen Diskussion auch einen
polemischen Text von Celtis eingeworfen, welcher die Gemüter sehr erregt habe,10
dient als Überleitung zu einer recht langen Freundschaftsbeteuerung (Rupprich
1934, Nr. 282, 513) :
Sicque lis nostra crebro in eum demum exiit finem, ut (quemadmodum de Jesu Nazareno Ju-
daei) dicerent alii, quia bonus est, alii non, sed seducit turbas. Ignosce verbis ac tibi id de me
certo persuadeas, me pro tua fama ac gloria omne periculum subire paratum esse.
So lief unser Streit immer wieder auf den Punkt hinaus (wie damals bei den Juden in dem
Streit über Jesus von Nazareth), dass die einen sagten : „Der Mann ist gut !“, die anderen
dagegen der Meinung waren : „Nein, sondern ein Volksverhetzer !“ Stoß dich nicht an die-
10 Nach Rupprich 1934, 513 Anm. 1 handelt es sich dabei um das Epigramm 2,27 mit dem Titel De
cavillo Italorum („Von der Sophisterei der Italiener“).
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593