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158 Von der Tiroler Landeseinheit bis zum Tod Kaiser MaximiliansÂ
I. (1519)
Ulrich Putsch burger Druckern in Auftrag gab (Longo 2000 ; Scheiber 2000). Ein 1492 gedrucktes
Exemplar bezieht sich fast wörtlich auf die Textfassung, die auf den Diözesansyn-
oden von 1453, 1455 und 1457 beschlossen worden war (Longo 2000). Dennoch
entstanden nach wie vor auch Liturgica, die Partikularinteressen bedienten. So ent-
sprachen etwa ein Diurnale der Franziskaner (PBBZ, W 45) und eine Neustifter
Hs. fĂĽr den dortigen Klerus (Neustift, Cod. 405) dem Usus bestimmter Orden.
Ein ebenfalls in Neustift erhaltener Codex (Neustift, Cod. 31), erläutert detailliert
bestimmte Gebete wie Credo, Ave Maria oder Vaterunser. Dass MessbĂĽcher auch
im frühen 16. Jh. noch mit Missale speciale („Messbuch für besonderen Gebrauch“ ;
TLMF, FB 28410) ĂĽberschrieben werden konnten, mag fĂĽr Bischof Christoph von
Schrofenstein (reg. 1509–1521) Anlass gewesen sein, seinem Klerus mitzuteilen, die
liturgischen BĂĽcher bedĂĽrften, um den SynodalbeschlĂĽssen gerecht zu werden, einer
Erneuerung. Von seinen BemĂĽhungen zeugen ein in Basel gedrucktes Missale aus
dem Jahr 15112 und ein hs. Brevier von 1516 (TLMF, FB 233).
Auf einer grundsätzlicheren Ebene interessierte sich für liturgische und pastorale
Themen der Brixner Fürstbischof Ulrich Putsch (reg. 1427–1437 ; vgl. hier S. 124–
128). Noch vor seiner Wahl zum Oberhirten hatte er 1426 zur eigenen Weiterbil-
dung in Scholastik und Mystik und zur geistig-sittlichen Hebung des Klerus ein
damals viel gelesenes anonymes theologisches Werk mit dem Titel Lumen animae
unter dem Titel Das liecht der sel ins Deutsche ĂĽbersetzt und mit einem Prolog
und einem Epilog in deutschen Versen versehen (Ausgabe : Harris 2007). Im 1434
vollendeten Manuale simplicium sacerdotum libros non habencium („Handbuch für
einfache Priester, die keine Bücher haben“ ; BSB, Clm. 18505, Bl. 165–204, Clm.
5199, Bl. 197–224, Clm. 5667, Bl. 1–58) legte er dann eine Erklärung der Messe
vor, in der er einen gewissen Allegorismus befĂĽrwortete. Die kompilatorisch ange-
legte Schrift steht unter dem Einfluss des weit verbreiteten, die gesamte Liturgie
zusammenfassenden Rationale divinorum officiorum („Messbuch“) des französischen
Kanonisten und Liturgikers Wilhelm Durandus (1237–1296) sowie einer Arbeit
des Raymundus de Pennaforte († 1275). Sie ist v.a. insofern von Interesse, als sie
eines der wenigen liturgischen Zeugnisse dieser Art darstellt, die nicht von Univer-
sitäts- oder Klostertheologen, sondern von Weltklerikern stammen. Entsprechend
authentisch wirkt ihre Einteilung der Priester in drei Gruppen : solche, die geistliche
Handlungen ohne entsprechende Kenntnisse verrichten, solche, die sich gerne bes-
ser unterrichten würden, aber keine Möglichkeit dazu besitzen, und solche, die zwar
Bücher haben, diese aber wegen anderer, zumal weltlicher Geschäfte nicht lesen.
Des Weiteren legte Putsch mit dem Perutilis modus orandi sub celebratione missarum
2 In Tirol vorhandene Exemplare : SEM, F I 13 ; TLMF, Dip. 1116/1 und FB 3648. Sekundärlitera-
tur : Cica 1500, 2000, 377, Kat.-Nr. 2-6-17.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăśberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593