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TYROLIS LATINA - Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
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166 Von der Tiroler Landeseinheit bis zum Tod Kaiser Maximilians  I. (1519) Molitoris’ Position Form FĂŒr heutige VerhĂ€ltnisse irritierend ist der Spagat des Autors zwischen aufgeklĂ€rten GrundsĂ€tzen und dem davon unerschĂŒtterten prinzipiellen Glauben an die Macht des Teufels ĂŒber Hexen – die Molitoris ĂŒbrigens als einer der ersten Autoren auf das weibliche Geschlecht festlegt. Einerseits wird das Hexenwesen rationalistisch als Phantasterei entlarvt, andererseits wird die Existenz von Hexen und die im Gesamt- plan Gottes liegende Möglichkeit ihres Wirkens bejaht. Obwohl der ganze Dialog die scheinbaren Hexen eigentlich entlastet und als Opfer von SinnestĂ€uschungen darstellt, wird am Ende fĂŒr ihre Bestrafung durch den Tod plĂ€diert – nicht weil sie als Hexen irgendwie gefĂ€hrlich wĂ€ren, sondern weil sie vom christlichen Glauben abgefallen sind und damit ein Verbrechen gegen die Obrigkeit begangen haben. Der Teufel ist fĂŒr Molitoris so real wie Gott. Der Kampf zwischen Gott und Teu- fel um den Menschen ist in seinem Weltbild fest verankert. Deshalb sind irdische Ursachen fĂŒr Hexerei, wie sie der Autor am Ende selbst nennt (Verzweiflung, Ar- mut, Hass auf die Nachbarn), eigentlich EinflĂŒsterungen des Teufels, denen es zu widerstehen gilt. Obwohl sich auch einzelne Gegner des Hexenwahns auf Molitoris beriefen, wird er mit dieser Position schwerlich ein Umdenken bewirkt haben. Der Text wurde demgemĂ€ĂŸ auch mehrheitlich von orthodoxer Seite rezipiert, was nicht zuletzt durch die Textgeschichte – man denke z.B. an den Druck mit dem Hexen- hammer – belegt wird. Von diesem unterscheidet sich Molitoris’ Traktat jedoch, abgesehen vom Umfang und von der Art der Darstellung, auch im juristischen Ergebnis. WĂ€hrend der Hexenhammer Gerichte, die ĂŒber Hexerei befinden, mit Geistlichen und Laien besetzen will, gibt Molitoris der weltlichen Obrigkeit die alleinige Kompetenz. Wie das zuvor besprochene Gutachten von Sylvester de Balneoregio ist auch Molitoris’ Dialog die unsystematische Weiterentwicklung einer scholastischen Dis- putation. Thesen werden aufgestellt, Argumente und Gegenargumente erwogen und weiterfĂŒhrende SchlĂŒsse gezogen. Besonderes Gewicht erhĂ€lt das autoritative Exempel, das einen Großteil der Argumentation ausmacht. Unter der Vielzahl von AutoritĂ€ten, die zur Untermauerung von Thesen herangezogen werden, ragen die Bibel, die Heiligenlegende, die KirchenvĂ€ter, das kanonische Recht und mittelal- terliche EnzyklopĂ€disten, besonders Vinzenz von Beauvais, hervor. In der Darstel- lung breitet Molitoris ein kirchenrechtlich solides und humanistisch breites Wissen aus, ohne jedoch den Stoff theologisch, juristisch, psychologisch oder medizinisch irgendwie zu durchdringen. Das wĂ€re allerdings in dem Umfang des kurzen BĂŒch- leins ohnehin nicht möglich gewesen. Wahrscheinlich lag ein höheres theoretisches Niveau auch gar nicht im Interesse des Autors, der dem an dieser Frage persönlich interessierten Erzherzog Sigmund wohl eine ‚lesbare‘ Stellungnahme und keinen wissenschaftlichen Traktat ĂŒberreichen wollte.
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TYROLIS LATINA Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
TYROLIS LATINA
Subtitle
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
Volume
1
Authors
Martin Korenjak
Florian Schaffenrath
Lav Ơubarić
Editor
Karlheinz Töchterle
Location
Wien
Date
2012
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78868-3
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
602
Keywords
Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. Epochenbild (Josef Riedmann) 21
  3. Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
  4. Epochenbild (Lav Ơubarić) 55
  5. Dichtung (Martin Korenjak) 66
  6. Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
  7. Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
  8. Biographie (Wolfgang Kofler) 123
  9. Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
  10. Musik (Lukas Oberrauch) 143
  11. Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
  12. Philosophie (Stefan Tilg) 167
  13. Medizin und Naturwissenschaft (Lav Ơubarić) 189
  14. Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
  15. Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
  16. Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
  17. Theater (Stefan Tilg) 266
  18. Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
  19. Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
  20. Brief (Martin Korenjak) 335
  21. Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
  22. Philosophie (Stefan Tilg) 349
  23. Naturwissenschaft (Lav Ơubarić) 355
  24. Medizin (Lukas Oberrauch) 362
  25. Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
  26. Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur GrĂŒndung der UniversitĂ€t (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
  27. Dichtung (Martin Korenjak) 397
  28. Theater (Stefan Tilg) 436
  29. Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
  30. Geschichtsschreibung (Lav Ơubarić) 480
  31. Biographie (Florian Schaffenrath) 505
  32. Brief (Martin Korenjak) 517
  33. Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
  34. Philosophie (Stefan Tilg) 545
  35. Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
  36. Medizin (Lav Ơubarić) 564
  37. Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
  38. Farbtafeln 593
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