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192 Von der Tiroler Landeseinheit bis zum Tod Kaiser MaximiliansÂ
I. (1519)
Odoricus de Arco
Udalricus
de Tridento
Publikum Innsbruck Udalricus de Tridento, auch er ein artium et medicine doctor, auf Anfrage
eines Mönchs von St. Georgenberg ein etwas ausführlicheres Regimen und ließ es
Caspar von Schläßbeck, dem Abt des Klosters, zukommen. Ob Odoricus, dessen
Existenz als angesehener BĂĽrger Trients gut dokumentiert ist, und Udalricus, von
dem man sonst nichts weiĂź, zwei verschiedene Ă„rzte, ob sie verwandt oder gar mit-
einander identisch waren, wie schon vermutet wurde (Naupp 1988, 62–63 ; Naupp
1989, 421 ; Werthman-Haas/Keil 1991, 70–71), lässt sich nicht entscheiden.
Das Regimen von 1399 (Fiecht, Cod. 167, Bl. 139v–140r ; Faksimile und Über-
setzung bei Naupp 1988, 64–68) gibt dem Herrn von Rottenburg und seiner
Familie knappe präventive Ratschläge, wie sie trotz des herrschenden Pesthauchs
(aeris pestiferi nunc ocurrentis) ihre Gesundheit erhalten können. Seine Ratschläge
gliedert Odoricus nach einer kurzen Einleitung gemäß den sex res non naturales
(„sechs nicht natürlichen Dingen“, d.h. sechs Dingen, die außerhalb der eigenen
Naturanlage liegen) : aer, cibus et potus, motus et quies, sompnus et vigilia, inanicio et
replecio, accidentia animi („Luft, Essen und Trinken, Bewegung und Ruhe, Schlaf
und Wachen, Entleerung und Füllung, Gemütszustände“). So kategorisierte die
medizinische Theorie die äußeren Einflüsse, durch welche im menschlichen Körper
das Verhältnis der Säfte zueinander beeinflusst werde, im Gegensatz zur unbeein-
flussbaren, angeborenen Konstitution, die man in res naturales („natürliche Dinge“)
gliederte. Am ausführlichsten fallen in Odoricus’ Regimen die Ratschläge bezüglich
der Rein- und Trockenhaltung der Luft aus, gemäß der damals gängigen Vorstel-
lung, dass schädliche Dünste die Ursache der Pest seien. Mit einer Empfehlung der
geeigneten Medikamente beschließt Odoricus die Reihe seiner Ratschläge. Neben
einem Rezept für offensichtlich mit dem Brief mitgelieferte Pillen erwähnt er theri-
aca magna („den großen Theriak“), als universales Gegengift.
Das Regimen von 1421 (Fiecht, Cod. 150, Bl. 181r–185v ; Übersetzung bei
Naupp 1989, 425–434; vgl. hier Farbtafel 6) ist ungefähr dreimal so lang wie das äl-
tere Beispiel. Nach der Erläuterung der Umstände, die zur Entstehung des regimen
geführt haben, werden wieder die sex res non naturales behandelt. Die Ratschläge
zur richtigen Ernährung sind besonders ausführlich und gewähren einen Einblick
in die Fülle der unterschiedlichen Lebensmittel, die den Mönchen zur Verfügung
gestanden haben müssen. Auf die Ratschläge zur Lebensweise folgen zahlreiche Re-
zepte für die Medikamente, welche der Stärkung und Erhaltung der Gesundheit
dienen sollen. Im zweiten Hauptteil der Schrift wendet sich Udalricus der Heilung
der schon an der Pest Erkrankten zu : Erläutert werden die Stärkung der Kranken,
die Ăśberwindung des Fiebers und die Behandlung von GeschwĂĽren.
Obwohl das Regimen die besonderen Lebensumstände der Benediktinermönche
berĂĽcksichtigt (z.B. ihre stabilitas loci, d.h. das GelĂĽbde, fĂĽr immer in dem Kloster
zu bleiben, in das man einmal eingetreten ist, und damit die Unmöglichkeit, sich
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăśberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593