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196 Von der Tiroler Landeseinheit bis zum Tod Kaiser Maximilians
I. (1519)
Practica
Rezepte und
Kranken-
geschichten aus Augsburg, gewechselt hat (Augsburg, Bistumsarchiv, Hs. 81/III). Da Augsburg
ein wichtiges Zentrum des Buchhandels war, ließ sich Pol für seine Bibliothek durch
Vitus Bild Bücher von dort besorgen. In Gegenzug wandte sich Bild, der selbst als
guter Astrologe und Horoskopersteller bekannt und gefragt war, mit schwierigen
astronomischen und astrologischen Fragen an Pol.
Wie jeder Arzt seiner Zeit legte auch Pol eine für den Eigengebrauch bestimmte
Notizensammlung an, in der sich wichtige Auszüge aus medizinischen Standard-
werken, Rezepte aus verschiedenen Quellen und Krankengeschichten aus der ei-
genen Praxis nebeneinander finden. Die Sprache ist meist Lat., z.T. auch Deutsch
oder eine Mischung aus beiden. Als sein Sohn Johannes, der diese Sammlung ge-
erbt hatte, 1536 in Znaim (Znojmo in Mähren) starb, wurde Pols Hs. im dortigen
Rathaus verwahrt. Wolfgang Kappler (1493–1567), der in Brünn und Krems als
Stadtarzt bzw. Apotheker und seit 1558 als Kaiser Ferdinands Leibarzt wirkte, ent-
lehnte diese – heute verschollene – Hs. und ließ sie gut lesbar abschreiben (ÖNB,
Cod. 11410), wobei er etliche eigene Notizen vom Schreiber einfügen ließ bzw. die
Sammlung auch nachträglich eigenhändig durch zahlreiche Notizen und Nachträge
erweiterte. Das damals durchaus übliche Ordnungsprinzip der Sammlung wird
auch in ihrem Titel festgehalten : Practica pro menbris corporis humani a capite usque
ad pedes („Behandlungsmethoden für die Glieder des menschlichen Körpers vom
Kopf bis zum Fuß“). Der hauptsächlich aus Pol exzerpierte Teil umfasst 335 Blätter.
Viel Raum wird darin der Syphilis gewidmet, wobei neben dem Guaiakholz auch
verschiedene andere Heilmethoden zur Sprache kommen.
Bei vielen Rezepten finden sich Zuschreibungen an verschiedene, hauptsächlich
Augsburger und Tiroler Ärzte und Apotheker, doch für die Prosopographie und
Kulturgeschichte des 15. und 16. Jhs. dürften die Rezepte aus dem Mund von
berühmten medizinischen Laien, Herrschern, Höflingen und Adeligen, bzw. ihre
Krankengeschichten am interessantesten sein. Auch zwei berühmte Literaten fin-
den sich darunter (Bl. 54v ; 184r) :
Nicolaus de Weyla 80 annorum acutissimum habuit visum quem dixit se conservasse singulis
alternatis noctibus lavando pedes cum decoctione camomille.
Der achtzigjährige Nikolaus von Wyle hatte eine äußerst scharfe Sehkraft, die er sich, wie
er sagte, dadurch bewahrt hatte, dass er sich die Füße jede zweite Nacht mit Kamillensud
wusch.2
2 Die Absurdität dieser Kur ist dem zerstreuten Abschreiber anzulasten, der berühmte Übersetzer hat
sicher seine Augen mit Kamille gewaschen.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593