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226 Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands
II. von Tirol (1595)
Interpretation
Scholastica
Oenipontana eines Gebets an den Heiligen Geist, des Dekalogs, des Vaterunsers, des Ave Maria
und des Salve Regina. Als Beispiel sei Tritonius’ Version des Ave Maria zitiert, bei
der er im Schlussvers das Ora pro nobis peccatoribus nunc et in hora mortis nostrae
(„Bitte für uns Sünder jetzt und in der Stunde unseres Todes“) des Originals den
eigenen didaktischen Absichten anpasst :
Semper ave, Maria alma, dei solamine plena :
Nam dominus tecum, benedicta inter mulieres,
Estque tui fructus benedictus ventris Iesus.
Hunc ores animos nostros sapientia adumbret.
Sei immer gegrüßt, nährende Maria, voll von Gottes Trost : Denn der Herr ist mit dir,
gesegnet bist du unter den Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes, Jesus. Ihn
mögest du bitten, unseren Geist mit Weisheit zu überschatten.
Der zweite Teil der kleinen Schrift ist ein Abdruck des 1520 in London erschienenen
Christiani hominis institutum („Vorschrift für den Christenmenschen“) des Eras-
mus, das Hexameterfassungen u.a. des Credo und der sieben Sakramente enthält.
Der dritte bietet eine Auswahl aus den Disticha Catonis, einer angeblich vom älteren
Cato stammenden, in Wahrheit spätantiken Sammlung hexametrischer Zweizeiler
mit ethischen Maximen, die seit dem Mittelalter ein beliebter Unterrichtstext war
(und 1517 ebenfalls von Erasmus ediert und kommentiert wurde). Diese beiden
Teile widmet ein zweiter, 1520 verfasster Brief Vitus Laetus, dem jüngeren Bruder
des zwischenzeitlich im Alter von nur acht Jahren verstorbenen Amandus.
Das Enchiridium stellt ein Hilfsmittel für den lat. Elementarunterricht dar. Wie
schon der Titel sagt (und der Brief an Vitus Laetus wiederholt), sollen die klei-
nen Lateiner die Texte auswendig lernen. Das unterstützt einerseits ihre sprachliche
Grundausbildung und gewöhnt sie von Beginn weg an klassisches Lat.: Die Um-
setzung der biblischen und mittelalterlichen Texte ins klassische Metrum des Hexa-
meters dient ebenso diesem wie mnemotechnischen Zwecken. Andererseits werden
den Kindern so Grundwahrheiten des christlichen Glaubens und allgemeine ethi-
sche Grundsätze vermittelt. Als Vorbild wählt sich der Autor dabei keinen Gerin-
geren als Erasmus, von dem er, wie er im Brief an Vitus Laetus sagt, immer nur als
„dem Großen“ zu sprechen pflegt. So zeigt uns das Büchlein neben dem berühmten
Komponisten einen zweiten, weniger bekannten Tritonius : den engagierten christ-
lich-humanistischen Schulmann und Pädagogen (vgl. Cohrs 1898).
Die Scholastica Oenipontana („Schultexte aus Innsbruck“ ; SEM, B 18) sind ein
umfangreicher Band mit Reden, Theaterstücken und Gedichten aus dem Innsbru-
cker Jesuitengymnasium, die dort während der Schuljahre 1581/82–1585/86 zu
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593