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232 Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog FerdinandsÂ
II. von Tirol (1595)
formale
Charakteristika soll als Zeitgenosse Jesu historische Akuratesse verbĂĽrgen. Das tut er zwar in Wirk-
lichkeit natürlich nicht, doch die Beschränkung auf ihn und das NT ermöglicht es
Putsch, aus der Masse der Legenden, die sich um den ersten Märtyrer unter den
Aposteln ranken, einen einfachen, durchgehenden Handlungsstrang herauszugrei-
fen und zu verfolgen.
Nach Themenangabe und (statt Musen-) Gottesanruf (Bl. Br–Biir) werden zunächst die
Berufung Jakobs und seines Bruders Johannes sowie die Bitte ihrer Mutter erzählt, Jesus
möge sie im Himmel zu seiner Rechten und Linken sitzen lassen, wie Putsch ausdrücklich
anmerkt, nach Matthäus (Bl. Biir–Ciir). Mit Jakobs Anwesenheit bei der Verklärung Jesu
und in Gethsemane folgen zwei Belege dafĂĽr, dass er einer von Jesu Lieblingsaposteln war
(Bl. Ciir–Ciiv). Ein rascher Überblick über das Geschehen von der Passion bis Pfingsten
leitet zur Aussendung über. Jakob beginnt Judäa und Samaria zu missionieren (Bl. Ciiir–
Ciiiv)7 und zieht sich dort die Feindschaft des Magiers Hermogenes zu. Dieser schickt sei-
nen SchĂĽler Philetus los, der den Apostel in einer langen Rede zu widerlegen sucht, dabei
aber selbst von ihm bekehrt wird (Bl. Dr–Diiir). Der Schüler möchte nun seinerseits seinen
Meister zur Umkehr bewegen –Â
die lange Rede, die er dazu hält, gibt Gelegenheit zu einer
Aufzählung aller Wunder, die Jakob mittlerweile vollbracht hat –, doch dieser reagiert cho-
lerisch und bannt ihn magisch fest. Als Jakob ihn mithilfe eines wunderkräftigen Tüchleins
befreit (Bl. Diiir–Eiiiv), hetzt ihm der vor Wut schäumende Hermogenes Dämonen aus der
Hölle auf den Hals, die ihm aber nichts anhaben können, sondern vielmehr den Magier
fesseln und in Jakobs Haus führen (Bl. Eiiiv–Fiir). Nach langem Zögern lässt sich schließ-
lich auch dieser selbst samt seinen SchĂĽlern bekehren, wirft seine ZauberbĂĽcher ins Meer
und zertrümmert sein Götzenbild (Bl. Fiiv–Gv). Doch die Juden, insbesondere ihr Priester
Abiathar, verleumden Jakob bei Herodes Agrippa I. Im Jahr 36 wird er verurteilt, eingeker-
kert und geköpft, tut aber zuvor noch auf dem Weg zur Hinrichtung Wunder und bekehrt
so seinen Henker Josias, den er auf dem Richtplatz tauft und der mit ihm das Martyrium
erleidet (Bl. Gv–Givr). Eine empörte Apostrophe an Herodes, ein Dank an Gott für die
Vollendung des Werkes und eine Bitte um Frömmigkeit, wie sie Jakob besaß, bilden den
Abschluss.
Putsch schreibt einen leicht lesbaren, unaufdringlichen Stil, der es dem Leser ge-
stattet, sich ganz auf die ebenso spektakulären wie erbaulichen Ereignisse selbst zu
konzentrieren. Vielleicht sind auch einige mittelalterlich anmutende ZĂĽge wie z.B.
die ständige Verwendung von suus für klassisches eius sowie eine gewisse metrische
Nachlässigkeit Teil dieses betont schlichten sprachlichen Habitus. Dasselbe könnte
7 Die wichtige Tradition ĂĽber Jakob als Missionar Spaniens, die u.a. zur Etablierung von Santiago de
Compostela als Pilgerstätte geführt hat, wird dabei nur kurz gestreift (Bl. Civv).
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăśberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593