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240 Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog FerdinandsÂ
II. von Tirol (1595)
Quodlibetum
für Cristoforo
Madruzzo
Charakteristik Wanderer : Wen deckt dieser Stein hier ? – Genius des Toten : Simone Butalosso, einen
Freund der Gesetze und, o Schmerz, einen hervorragenden Lehrer. – Wanderer : Liegt er
denn hier zur Gänze ? – Genius : Sein größter Teil freut sich des lichten Himmels ; nur seine
Knochen hält dieser Stein fest.
Gehen wir nun weiter in die Zeit von Cristoforo Madruzzo, so stoßen wir auf eines
der bemerkenswertesten Werke – sofern der Werkbegriff hier überhaupt zutrifft –
dieser Epoche. Wir verdanken es dem aus Arco stammenden Pfarrer Jacopo Varg-
nano (ca. 1510–1596/97), der mit Niccolò d’Arco, Bernhard von Cles und Cri-
stoforo Madruzzo bekannt oder befreundet war und mithilfe dieser Verbindungen
nach mehreren Pfarrstellen 1561 Kanonikus in Arco wurde (Panizza 1884, 157–
171). Lange davor, 1542 oder 1543, während er noch Pfarrer im kleinen Lomaso
war, widmete er Cristoforo eine 143 Seiten starke Gedichtsammlung mit dem Titel
Quodlibetum12 (etwa „Buch beliebigen Inhalts“). Der von Vargnano eigenhändig
mit Sorgfalt geschriebene und gestaltete Band, gedacht als Vorlage für einen durch
Cristoforo zu vermittelnden Druck (15), der dann nicht zustande kam, hat sich als
ms. 1973 der BCT erhalten. Die folgende knappe Skizze lässt sich aus Panizza 1884
ergänzen, der das Quodlibetum beschreibt (171–175) und ausgewählte Gedichte
von Vargnano sowie die sonst unpublizierten Stücke von Niccolò d’Arco und Cri-
stoforo Madruzzo ediert (175–190).
Vargnano erklärt zu Beginn, der Titel der Sammlung spiele auf ihren vielfältigen
Charakter an : Quodlibetum ideo Vargnanum apellari decrevi, quod cuiuslibet generis
carmina diversasque Musas fere in se contineat (14 ; „Deshalb beschloss ich, sie sollte
‚Vargnanisches Buch beliebigen Inhalts‘ heißen, weil sie Gedichte jeder beliebigen
Art und sozusagen verschiedene Musen enthält“). Außerdem zeigt er sich dort stolz
darauf, neben seinen eigenen Gedichten auch solche „gewisser höchst erfahrener
Männer“ zu bieten. Die Sammlung selbst wird Titel und Programmatik vollauf
gerecht. Als kleinster gemeinsamer Nenner lässt sich eigentlich nur angeben, dass es
sich um lat. Gedichte handelt, und selbst damit ist der Inhalt noch nicht zur Gänze
erfasst : Als Eröffnung finden sich drei italienische Gedichte (9–12), ein Widmungs-
brief an Cristoforo (13–16) und eine abschließende kurze Leichenrede auf Cristo-
foros Schwägerin Elena Madruzzo (137–143) sind in Prosa gehalten. Die lat. Poe-
sie stammt neben Jacopo Vargnano selbst von Niccolò d’Arco, Giulio Alessandrini
(vgl. hier S. 362), Marco Vargnano, offenbar einem Verwandten Jacopos, Massimo
Grandi und Marco Ruffo ; ein Gedicht steuert sogar der Widmungsnehmer Cris-
12 Der Titel der Hs. bietet die Lesart Quotlibetum, doch das vorhergehende reverentissimum für reve-
rendissimum zeigt, dass es sich dabei um eine rein orthographische Variante handelt. Der Wid-
mungsbrief hat die korrekte Form (14).
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ãœberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593