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Dichtung 249
Roner, Austria
carmine illustrata
Ottenthalers
Palaemon
Vergilnachfolge
keit und Kampf gegen Ungläubige gelegt wird, dürfte ebensosehr paränetisch wie
panegyrisch gemeint sein : Maximilians Einstellung zu den TĂĽrken erschien zwar
unbedenklich (so hatte er z.B. einen Elefanten, den er mit sich führte, „Soliman“
getauft, um Süleyman den Prächtigen zu demütigen), doch für die Sache der Re-
formation ließ er schon seit längerem besorgniserregende Sympathien erkennen.
Wohl im Jahr 1553 verfasste Georg Roner (vgl. hier S. 288–290) eine 132 Verse
lange Elegie mit dem Titel Austria carmine illustrata („Österreich im Gedicht darge-
stellt“ ; Ausgabe : Sporer 1995) für einen prunkvollen Einblattdruck zu Ehren Ferdi-
nands I., den ein Wasserfarbengemälde im Kreis der Kurfürsten und wohl auch des
lorbeerbekränzten Dichters selbst zeigt (vgl. Farbtafel 9). Die Distichen preisen zu-
nächst das Haus Ă–sterreich i.A. (V.Â
1–32), wobei aus unklaren Gründen besonderes
Gewicht auf seine AnsprĂĽche auf Ungarn gelegt wird. Dann fĂĽhren sie ĂĽbergangs-
los Ferdinand selbst als Sprecher ein, der alle Länder aufzählt, über die er herrscht
(V. 33–100),15 und sich seiner Macht und Herrlichkeit rühmt (V. 101–116). Nach-
dem seine Rede so abrupt geendet wie begonnen hat, grĂĽĂźt ihn der Autor ehrfĂĽrch-
tig und wünscht ihm alles Gute (V. 117–132). Dass Roner sich im vollständigen
Titel des Werks als Tiroler bezeichnet und das Blatt im Innsbrucker Ferdinandeum
liegt (Dip. 1375/8 [699]), lässt darauf schließen, dass es für einen festlichen Anlass
in Innsbruck in Auftrag gegeben wurde, wo Ferdinand ja zeitweise residierte.
Der schon mehrfach erwähnte Paul Ottenthaler hat in dem Innsbrucker Druck
von 1557, der als zweiten Teil die Pfingstgeschichte enthält, als ersten ein 71 Hexa-
meter umfassendes bukolisches Gedicht veröffentlicht, den Palaemon.
Es gibt den Dialog zweier Hirten, Damoetas und Tityrus, wieder. Gegenstand der Unter-
haltung ist ein dritter Hirte, Palaemon, dessen Verschwinden Tityrus v.a. deshalb beklagt,
weil er durch seine beruflichen und menschlichen Qualitäten eine Sonderstellung unter
seinen Kollegen eingenommen hat. Damoetas erklärt Tityrus, Palaemon leide seit einiger
Zeit an einer schweren Erkrankung und sei zur Genesung an einen Ort mit einem anderen
Klima verreist. Im Mittelpunkt der zweiten Hälfte des Gedichts stehen Genesungswünsche
und die Hoffnung, jene, die von Gott besonders geprüft werden, möchten auch einen
entsprechenden Lohn erhalten. Das Ende des Gesprächs fällt mit dem Einbruch der Nacht
zusammen : Tityrus lädt Damoetas ein, mit ihm zu Abend zu essen und bei ihm zu über-
nachten.
Wie bei einem bukolischen Gedicht nicht weiter erstaunlich, steht der Palaemon
offenkundig in der Nachfolge Vergils. Der auffälligste Unterschied liegt darin, dass
aus den zehn Eklogen des römischen Dichters eine einzige geworden ist. Vielleicht
15 Die Angabe, er sei 50 Jahre alt (V. 36), ermöglicht die oben gegebene Datierung des Stücks.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăśberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593