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Dichtung 253
eigene Gedichte
sion des alttestamentlichen Buchs der Weisheit, das auf Lat. ĂĽblicherweise Sapientia
Salomonis genannt wird, und lässt sich am besten vor dem Hintergrund der weit
verbreiteten Praxis des Versifizierens von Teilen der Bibel verstehen. Hierzu wurden
nämlich nicht nur Schüler und Studenten angeleitet : Auch Erwachsene sahen da-
rin eine willkommene Ăśbung, durch die sie sowohl ihren intellektuellen als auch
ihren religiösen Bedürfnissen nachkommen konnten. Die Übertragung, die keine
Scheu vor Abweichungen von der lat. Vorlage aus der Vulgata zeigt, beeindruckt
durch flüssigen Stil und große Souveränität im Umgang mit Sprache und Metrik.
Man vergleiche etwa folgenden Passus aus dem achten Kapitel (Weish 8,18–21) mit
seiner Umsetzung durch de Roo (Bl. Ciiirv) :
Circuibam quaerens ut mihi illam [sc. sapientiam] adsumerem. Puer autem eram ingeniosus et
sortitus sum animam bonam ; quin potius, cum essem bonus, veni in corpus incoinquinatum.
Et ut scivi quoniam aliter non possem esse continens, nisi Deus det – et hoc ipsum erat sapi-
entiae, scire, cuius esset hoc donum –, adii Dominum et deprecatus sum illum et dixi ex totis
praecordiis meis : […]
Da ging ich auf die Suche nach ihr [sc. der Weisheit], um sie heimzufĂĽhren. Ich war ein
begabtes Kind und hatte eine gute Seele erhalten, oder vielmehr : gut wie ich war, kam ich
in einen unverdorbenen Leib. Ich erkannte aber, dass ich die Weisheit nur als Geschenk
Gottes erhalten könnte – und schon hier war es die Weisheit, die mich erkennen ließ, wes-
sen Gnadengeschenk sie ist. Daher wandte ich mich an den Herrn und sprach zu ihm aus
ganzem Herzen : […]
Hanc [sc. sapientiam] igitur quaerens loca sedulus omnia obibam,
Praeditus ingenio dexteriore puer.
Indole namque mea dignum natura malaeque
Ignarum labis corpus habere dedit.
Sed tantum non posse dari sine numine donum,
Cernens (iudicii quod melioris erat)
His dominum verbis syncera mente rogavi,
Ingeminans tales supplice voce preces : […]
Stilsicherheit ist auch ein Charakteristikum von de Roos eigenen Dichtungen, wel-
che in den zwei verbleibenden BĂĽchern enthalten sind. Die Variorum carminum
atque epigrammatum libri duo („Zwei Bücher mit verschiedenen Gedichten und Epi-
grammen“) zeugen von der großen literarischen Bildung des Autors. Die insgesamt
81 Gedichte (45 im ersten, 36 im zweiten Buch), von denen die meisten im Zeitraum
1564–1572 entstanden sein dürften und die im Wesentlichen wohl chronologisch
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăśberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593