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262 Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog FerdinandsÂ
II. von Tirol (1595)
Pädiatrie und
Pädagogik (Bl. 3r). Dennoch spricht Alessandrini dann ausführlich über die Amme und gibt genaue
Vorschriften zu ihrer Auswahl, Ernährung – hier ist ein Mythos über die Entstehung der
Pinie und der Pignoli eingelegt – und gegebenenfalls medikamentösen Behandlung, all
das mit dem Ziel, eine befriedigende Milchmenge und -qualität zu erzielen (Bl. 3v–6v).
Es folgen Vorschriften für die ersten Schritte (Bl. 6v–7r) und für die moralische Erziehung
des Knaben (Bl. 7r–8r). Ungeziefer ist durch strenge Hygiene zu bekämpfen (Bl. 8v). Beim
Zahnen ist es wichtig, dass der Knabe immer einen Gegenstand zum BeiĂźen zur VerfĂĽ-
gung hat ; so werden auch rationalisierend Amulette wie z.B. Wolfszähne erklärt, was zu
einem Exkurs über den Nutzen selbst schädlicher Tiere führt (Bl. 8v–9r). Eine weitere Ein-
lage über die Dekadenz als Prinzip der Weltgeschichte schließt sich gleich an (Bl. 9r–10v).
Nach einem kurzen zweiten Musenanruf behandelt Alessandrini Kinderkrankheiten, u.a.
die Epilepsie, sowie Heilmittel dagegen (Bl. 10v–13r). Die Umstellung auf feste Nahrung
erfolgt über Mund-zu-Mund-Fütterung (Bl. 13r). Ein Abschnitt über Bäder (Bl. 13r–14r)
wird anlässlich der Erwähnung von Eisbädern durch einen Skythenexkurs bereichert.
Kommt der Knabe ins Schulalter, so ist leichter Sport angezeigt ; statt Wein soll er gu-
tes Wasser (z.B. das der Etsch bei Trient) trinken (Bl. 14rv). Seine Affekte muss er nun
durch die Vernunft zügeln lernen (Bl. 14v–15r). Andernfalls sind Zwietracht und Kriege
die Folge, wie sie gerade Europa verheeren. Der Dichter schlieĂźt mit dem Wunsch, diese
Selbstzerfleischung möge ein Ende nehmen und man möge die Kräfte auf den Kampf ge-
gen den gemeinsamen Feind, die Türken, konzentrieren (Bl. 15r–16r).
Über Pädiatrie und über Kinder-, d.h. in der Praxis meist Knabenerziehung, ist seit
den Frauenkrankheiten des Soranos von Ephesos und Plutarchs Ăśber die Erziehung
der Kinder (beide 1./2. Jh.) viel geschrieben worden. Gerade in der nlat. Literatur
entstanden insbesondere zu Erziehungsfragen zahlreiche Traktate (CNLS 2, 301).
Gut möglich, dass einige davon Alessandrini als Quellen gedient haben. Jedenfalls
stellt die Paedotrophia selbst eine interessante, noch unausgeschöpfte Quelle für die
pädiatrischen und pädagogischen Vorstellungen der Zeit dar. Wer hätte beispiels-
weise gedacht, dass verfrühte Gehversuche zu O- und X-Beinen führen können (Bl.
6v–7r) ?
Tu pedibus tamen ante diem puerilia niti
Corpora ne sinito : saepe imprudentibus unum
Obfuit invalidique et adhuc prope cerea nacti
Ossa pedes nimiumque gravi sub pondere pressi
Exiliere loco atque oneri cessere gravati,
Crura unde in varias abeunt sinuata figuras.
Saepe etiam introrsum spectantia mutuo sese
Genua terunt atque implicitos dant turpia gressus.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăśberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593