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Theater 271
Titel und
Widmung
Bildungsdramen auf und ist überdies Erzherzog Ferdinand II. gewidmet. Deshalb
sei es an dieser Stelle in die Geschichte des Innsbrucker Jesuitendramas eingeschal-
tet, ohne damit Agricola für die Jesuiten vereinnahmen oder auch nur eine direkte
Abhängigkeit von jesuitischen Vorbildern suggerieren zu wollen. Eine Inspiration
durch einschlägige Jesuitendramen ist allerdings gut vorstellbar. Der 1571 geborene
Agricola wuchs in Innsbruck als Sohn des Buchdruckers Johannes Paur (latinisiert
„Agricola“) auf, der später auch das hier vorgestellte Drama publizierte. Aller Wahr-
scheinlichkeit nach hat Hieronymus Otto das Innsbrucker Jesuitengymnasium be-
sucht, und zwar gerade zu jener Zeit, als die Reihe der hiesigen Bildungsdramen
nachweislich begann. Auch in seiner Zeit als Student in Dillingen (später führte
er seine Studien noch in Perugia und Pisa fort) könnte er leicht mit einschlägigen
jesuitischen Bildungsdramen in Kontakt gekommen sein. Das Schulmilieu bildet
bei Agricola freilich nur den Hintergrund, vor dem sich ein geistliches Drama über
den wahren Glauben und die Jungfrau Maria entwickelt.
Das 1592 in Innsbruck gedruckte Stück trägt den Titel Deiparae virginis tutela,
ΔIΑΛΟΓIΚΩΣ concinnata super verbis Refove flebiles – quicunque celebrant tuam
sanctam commemorationem („Der Schutz der jungfräulichen Gottesgebärerin, dia-
logisch gesetzt über die Worte : Erquicke die Klagenden – wer immer dein heiliges
Gedächtnis feiert“). In der Widmung an Erzherzog Ferdinand II. erklärt Agricola
diesen Titel bzw. die Grundidee zu seinem Drama näher. Als er lange überlegt habe,
wie er sich in seiner Freizeit um seinen Landesherrn verdient machen könne, sei
ihm plötzlich die Hl. Jungfrau und die auf sie bezogene Antiphon Sancta Maria
eingefallen, aus der die im Titel zitierten Worte stammen.4 Aus diesem Gebet an die
Jungfrau Maria habe er nun eine dramatische Paraphrase gemacht. Ein besonderes
Ziel der dabei entstandenen levis, brevis […] scenula („unerhebliches, kurzes Szen-
lein“) könne er nicht angeben, bei Ferdinand sei es aber bestimmt gut aufgehoben,
da er ja zugleich ein Dramenliebhaber und ein Marienverehrer sei. An dieser Stelle
kann der Leser nur durch den etwas kecken Ton ahnen, dass zu dem angekündig-
ten ernsten Mariendrama noch ein lustiges Element dazukommt. Tatsächlich über-
wiegt in den ersten zwei von fünf Akten der Charakter eines um geistliche Themen
wenig bekümmerten Bildungsdramas :
4 Die Antiphon findet sich im Römischen Brevier unter dem Commune der Feste Marias : Sancta
Maria, succurre miseris, iuva pusillanimes, refove flebiles, ora pro populo, interveni pro clero, intercede
pro devoto femineo sexu ; sentiant omnes tuum iuvamen quicunque celebrant tuam sanctam commemo-
rationem („Heilige Maria, steh den Bedrängten bei, hilf den Kleinmütigen, erquicke die Klagenden,
bete für das Volk, tritt für den Klerus ein, vermittle für das dir ergebene weibliche Geschlecht ; alle
mögen deine Unterstützung spüren, wer immer dein heiliges Gedächtnis feiert“). Dieses Gebet
wurde auch oft vertont, so z.B. in Monteverdis Vespro della Beata Vergine von 1610.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593