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Theater 273
Vorbild römische
Komödie
ehrung allein ist schon ein pro-katholisches konfessionelles Signal, die Blamage des
marienverachtenden Häretikers am Ende unterstützt dieses noch durch eine anti-
protestantische Spitze. Die Idee, dass der Häretiker sogar dem Teufel zu lästig wird,
ist dabei nicht unwitzig und die etwas groteske Durchführung im Detail – einmal
tanzt Belial sogar wie verrückt zu Antidicus’ Verleumdungen – ist repräsentativ für
den geistreichen und zuweilen launigen Stil Agricolas. Ein anderes Beispiel ist die
erste Szene des zweiten Akts, in der Symmachus seinen „Anticraodotes“ genannten
Mitschüler zum Schulschwänzen überredet. Der Name des Mitschülers, „Gegen-
schreigeber“, bildet die exzentrische Art und Weise ab, in der Symmachus zunächst
sein Anliegen vorbringt :
Sym : Euohe, Euax, Io, Io !
Hem quid taces ? imitator esto ! Ant : Io, Io.
Sym : Pacificus es, bacchare liberius parum, Io Io !
Ant : Horreo. Sym : Quid abnutas ? Ant : Libri fastidium
Pariunt, ita his oportet impallescere.
Sym : Apage libros, medela morbo huic proxima est,
Tu clamita […]
Sym : Juchei, Jucho, Io, Io !
Ei, was bist du so still ? Mach es mir nach ! Ant : Io, Io.
Sym : Du bist so friedlich, juble ein wenig freier, Io, Io !
Ant : Ich schaudere. Sym : Was winkst du ab ? Ant : Die BĂĽcher
Ekeln mich, so sehr muss man ĂĽber ihnen bleich werden.
Sym : Fort mit den BĂĽchern, die Medizin fĂĽr deine Krankheit ist ganz nah :
Du, schrei nur […]
Am Ende der Szene ist Anticraodotes dann tatsächlich so weit, dass er Symmachus’
„Io, Io !“ mit einem vollhalsigen „Io, Io !“ erwidern kann. Gerade in den lustigen
Szenen greift wie bei den Bildungsdramen das Vorbild der römischen Komödie.
Dieses ist z.B. spĂĽrbar im Setting des klassischen Mittelmeerraumes (der Ursprung
der Heidenfamilie in Seleukia ist der einzige Orientierungspunkt) oder in Voka-
bular und Morphologie (vgl. z.B. den archaischen Konjunktiv Präsens creduat auf
S. 58 mit Plaut. Poen. 747 creduam, Bacch. 476 creduas, 504 creduat). Grundsätz-
lich findet sich auch der für die römische Komödie charakteristische Vater-Sohn-
Konflikt wieder, der hier freilich ganz anders ausgespielt wird. Schließlich könnte
auch die metrische Vielfalt des StĂĽcks zumindest entfernt von der Polymetrie der
römischen Komödie angeregt worden sein : Zwischen den vorherrschenden jam-
bischen Trimetern sind nämlich immer wieder einzelne Verse in abweichenden
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăśberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593