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278 Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands
II. von Tirol (1595)
Tragoedia de
fortissimo Sanctae
Catharinae
certamine
Catharinias Wunsches. Neben dieser unmittelbaren Wirkungsabsicht der drei Stücke ist noch
zu berücksichtigen, dass die Disputation zwischen Katharina und den heidnischen
Philosophen in der jesuitischen Rhetorik auch als Modell für die zeitgenössischen
kontroverstheologischen Disputationen zwischen Katholiken und Protestanten
diente und als Apologie des jesuitischen Bildungsprogramms überhaupt interpre-
tiert werden konnte.
Der ‚Archetyp‘ der Innsbrucker Katharinendramen, die schon erwähnte Catha-
rina des Gregorius Holonius, war in mehrerer Hinsicht für die Innsbrucker Zwe-
cke geeignet. Das Sujet richtete die Aufmerksamkeit auf das Thema Bildung und
Schule. Außerdem war das Stück von dem selbst als Lehrer tätigen Holonius bereits
als Schuldrama konzipiert. Der Innsbrucker Bearbeiter von 1576 brauchte deshalb
in seiner Tragoedia de fortissimo Sanctae Catharinae certamine („Über den überaus
tapferen Kampf der Hl. Katharina“) nur wenige Änderungen vorzunehmen. Diese
betreffen v.a. den Adressaten, den mehr oder weniger subtilen Hinweis auf einen
jesuitischen Führungsanspruch und die Lenkung der Zuschauer. Während Holo-
nius dezidiert für ein schulinternes Publikum schrieb, richten sich der Prolog und
der Epilog, die für die Innsbrucker Aufführung neu hinzugefügt wurden, direkt an
den Landesfürsten Ferdinand II. Die neue Figur des Einsiedlers Makarius, der u.a.
Katharina selbst mit geistlichem Rat zur Seite steht, dürfte auf jene Vertreter der
Gesellschaft Jesu verweisen, die bei Hof Einfluss hatten oder gewinnen wollten.
Eine Reihe weiterer neuer Nebenfiguren übernimmt schließlich die im Jesuiten-
drama gern besetzte Rolle von ‚Spieler-Zuschauern‘ (vgl. dazu Sprengel 1987). Da-
bei handelt es sich um Schauspieler, die die Aktion auf der Bühne mehr beobachten
als an ihr teilhaben und durch ihre Reaktionen und Kommentare die Rezeption des
Stücks bei den realen Zuschauern beeinflussen. So findet eine Gruppe von Christen
z.B. in der fünften Szene des dritten Akts die vom Feuer unversehrten Leiber der
Philosophen. Die Verehrung, die sie diesen ausdrücklich als Reliquien angespro-
chenen Leibern dann auf der Bühne zukommen lassen, vermittelt den Zuschauern
den heilsgeschichtlichen Sinn des Geschehenen und erinnert sie an die Bedeutung
der katholischen Reliquienverehrung. Schließlich bringt auch der Epilog noch eine
Deutung des Geschehens und einen Aufruf an die Zuschauer, die Tugenden Ka-
tharinas nachzuahmen. Im Vergleich mit anderen zeitgenössischen Jesuitendramen
ist u.a. die gänzliche Abwesenheit von allegorischen Figuren auffällig, die auf das
Vorbild von Holonius zurückgeht
Der Autor der Catharinias („Katharinenepos“) von 1577 ist der Flame Johannes
Sonhovius (Zonhoven), der sich zur Zeit der Abfassung des Dramas gerade als Ge-
hilfe von P. Hieronymus Nadal (1507–1580) in Hall aufhielt. Nadal, ein Wegge-
fährte des Ignatius von Loyola und Pionier im Aufbau der jesuitischen Strukturen
in Deutschland, setzte sich in Hall zur Ruhe, um dort seine später berühmten Me-
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593