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280 Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands
II. von Tirol (1595)
Anlass und
Kommunikations-
strategien ter der aus dem fünften Buch der Aeneis bekannten Leichenspiele für Anchises auf
Sizilien gestaltet sind. Mit solchen Referenzen sorgte Sonhovius dafür, dass sich die
fürstliche Elite um Ferdinand
II. in der Elite der römischen Sage widerspiegeln und
feiern konnte. Auch die Tatsache, dass sich die Habsburger genealogisch gern von
Aeneas herleiteten, wird hier von Bedeutung sein. Nicht zuletzt durch die epische
Formelsprache macht die Catharinias im Gegensatz zur Aufführung des Vorjahres
den Eindruck einer sehr artifiziellen Inszenierung mit viel Theatralik. Wiederho-
lungen und Parallelismen im Großen und Kleinen sind ein bevorzugtes Stilmittel.
Ausschmückung von Einzelszenen geht zu Lasten eines auch nur ansatzweise ge-
schlossenen dramatischen Gefüges. Der Großteil der eigentlichen Handlung wird
auf den fünften Akt verschoben, wo er dann unter häufigem Rückgriff auf den Text
des Vorjahres in geraffter Form nachgeholt wird.
Ein wesentlicher Grund für den Aufwand war der besondere Anlass der Auffüh-
rung, der Besuch von Ferdinands fürstlichen Verwandten aus der Steiermark und
aus München : Ferdinands Bruder Erzherzog Karl von Innerösterreich mit seiner
Gattin Maria von Bayern, Herzog Wilhelm V. von Bayern mit seiner Frau Renata
von Lothringen sowie dessen Bruder Herzog Ferdinand von Bayern. Die Strategien,
Ferdinands Wohlwollen vor diesem erlauchten Publikum zu erlangen, wurden im
Vergleich zur Aufführung des Vorjahres ausgebaut und verfeinert. Neben der Ein-
führung von epischer Wucht und Feierlichkeit durch den Hexameter geschah das
u.a. durch die erweiterte Rolle des Einsiedlers – hier hat er die Namensform Ma-
charius. Im vorliegenden Stück wird er ausdrücklich als pater spiritualis („geistlicher
Vater“) Katharinas bezeichnet und wirbt so noch deutlicher für geistliche Führung
durch die Jesuiten. Implizit, aber klar genug, ist auch ein Verweis Katharinas auf
die bei der Aufführung anwesende Schwester Ferdinands, Erzherzogin Magdalena.
Wie Katharina sagte Magdalena dem weltlichen Leben ab (sie zog sich in das von
ihr gegründete Damenstift in Hall zurück), wie jene engagierte sie sich für Bildung
und Erziehung. Magdalena war als Gründerin des Jesuitenkollegs und des Jesuiten-
gymnasiums in Hall eine große Förderin des Ordens und verfügte bekanntermaßen
über beträchtlichen Einfluss auf ihren Bruder. Es konnte also einer Aussöhnung
mit Ferdinand nur dienlich sein, sie über die Figur Katharinas zu apostrophieren.
Im Kontext dieser konkreten außerliterarischen Zielsetzung stehen auch weitere
Elemente des Dramas : Am Anfang und Ende werden die hohen Gäste der Reihe
nach sehr ausführlich begrüßt und verabschiedet. In 4,7 kommt eine Jagdepisode
den Gepflogenheiten fürstlicher Freizeitgestaltung entgegen. In 5,10 wird aus dem
Mund des pater spiritualis Macharius die Vergangenheit mit der Gegenwart durch
eine Prophezeiung verknüpft. Er sieht Katharina (und damit vielleicht auch den
Jesuiten) in der Zukunft Gerechtigkeit widerfahren (V. 2053–2057) :
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593