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Beredsamkeit 295
jesuitische
Schulreden
Eröffnung des
neuen Schuljahres
mus zu Beginn des 16. Jhs. noch deutlich unter dem internationalen, zumindest
dem italienischen Standard lag. Eine wichtige Quelle für die Tiroler Bildungs- und
Druckgeschichte ist die kleine Rede jedoch allemal.
Die restlichen Schulreden sind sämtlich gut ein halbes Jahrhundert später ent-
standen und entspringen dem Unterrichtsbetrieb der Jesuiten in Innsbruck.14 Ver-
gleicht man ihr flüssiges, abgesehen von wenigen Ausrutschern durchaus ciceroni-
anisches Lat. mit Küfners gezwungenen Phrasen, so wird klar, welche Fortschritte
der Humanismus in den dazwischen liegenden Jahrzehnten, nicht zuletzt durch
den Einsatz der Jesuiten selbst, in Tirol gemacht hat. Routinierte Beherrschung
des rhetorischen Handwerkszeugs verrät auch die meist klare Gliederung in ein
Proömium, wo auf den Anlass Bezug genommen und das Thema vorgestellt wird,
einen durch viele Exempla geprägten, manchmal seinerseits zweiteiligen Hauptteil
und eine abschließende Hinwendung zum Publikum. Überliefert sind die betref-
fenden Texte nur in hs. Form und zum größten Teil anonym in den Scholastica
Oenipontana (vgl. hier S. 226–231). Die meisten dieser Arbeiten wurden bei der
feierlichen Eröffnung des neuen Schuljahres vor der bei dieser Gelegenheit statt-
findenden distributio praemiorum, der Preisverteilung an die besten Schüler, aufge-
führt bzw. vorgetragen, doch finden sich auch solche für die großen Feste des Kir-
chenjahres, die von den Jesuiten und ihren Schülern gemeinsam begangen wurden
(Duhr 1896, 71). Bei den Verfassern handelt es sich in der Regel um Professoren,
vorgetragen könnten die Reden aber auch Schüler haben (Duhr 1896, 71 ; Neuber
1996, 1250). Ich behandle die einzelnen Texte im Folgenden nach Anlass und The-
matik geordnet.
An den Eröffnungsveranstaltungen, die in Innsbruck in der Aula des Jesuiten-
gymnasiums stattfanden, nahmen, wie das allgemein üblich war (Duhr 1896, 71–
72), neben Patres, Lehrern und Schülern auch Innsbrucker Notabeln (vgl. etwa
Bl. 17r viri magnifici) in großer Zahl teil, nicht zuletzt deshalb, weil sie ihre eige-
nen Söhne zu den Jesuiten schickten (Bl. 88r his vestris filiis ; „diesen euren Söhnen
hier“). So stellten diese Anlässe nicht nur ein Mittel, die Motivation der Schüler
zu stärken, sondern auch eine Gelegenheit dar, das enge, gute Verhältnis zwischen
Stadt und Gymnasium zu betonen. Diese beiden Aspekte lassen sich auch an den
Reden selbst ablesen, die einerseits die Schüler durch in Aussicht gestellte Beloh-
nungen zu fleißiger Arbeit anspornen, andererseits immer wieder auf den politi-
schen Nutzen der Bildung verweisen und das Nahverhältnis zwischen Bildung und
Macht hervorheben.
14 Reden wie die im Folgenden beschriebenen waren zweifellos auch an den Jesuitengymnasien in Hall
und Trient an der Tagesordnung, doch hat sich dort, soweit ersichtlich, unglücklicherweise nichts
davon erhalten.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593