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310 Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog FerdinandsÂ
II. von Tirol (1595)
Selbstbild
politischer
Standpunkt
Gattung Während Stellimaurus im Widmungsbrief am Anfang noch Bescheidenheitstopik
gebraucht – aliquid memorare, opusculum compilare („irgendetwas erwähnen, ein
kleines Werk zusammenstellen“) –, heißt es in der Schlussepistel, das Werk solle als
perpetuum monumentum („ewiges Denkmal“) der Nachwelt dienen. Es wird somit
ein klarer Bezug zu einer mit Thukydides beginnenden Tradition von Geschichts-
werken hergestellt.
Der zentrale Gedanke des Werkes ist die unangemessene Raserei der Bauern, die
fĂĽr das gesamte Leid dieses Krieges die Verantwortung trĂĽgen und denen zuletzt
auch die gerechte Strafe widerfahren sei : Wiederholt werden die Bauern als imma-
nes („Ungeheuer“) bezeichnet (z.B. 2,4 ; 2,10), auch als diri agrestes (2,16 ; „grau-
envolle Landleute“), die nur verstünden, bona diripere, civitatem perdere, castella
et urbem demoliri (Widmungsepistel ; „Güter zu rauben, Städte zu plündern, Bur-
gen und Orte zu zerstören“). In ihnen herrsche rabies (1,5 ; „Raserei“) und saevitia
(Schlussbrief ; „Wut“). Ihre Redeweise sei laut und rau (elevata voce, ut rusticorum
mos est ; 2,4), ihr Verstand gleiche dem von Sklaven (ut servili et rustico ingenio con-
venit ; 2,7). Diese Unzivilisiertheit spiegle sich auch in der barbarischen Art ihrer
KriegsfĂĽhrung (1,5). Die einzige Stelle, in der die wahren BeweggrĂĽnde des Bau-
ernaufstandes zur Sprache kommen, nämlich die verweltlichte Herrschaft des Kle-
rus und der DĂĽnkel des Adels, ist in indirekter Darstellung gehalten (1,6). Zusam-
men mit den FĂĽrsten und Adeligen werden immer auch die Gelehrten (doctores) als
Feinde der Bauern genannt. Es mag fĂĽr Stellimaurus durchaus von Vorteil gewesen
sein, zeigen zu können, dass Erzherzog Ferdinand, Bischof Cles und er selbst einen
gemeinsamen Feind hatten. Entsprechend umfangreich fällt auch das Herrscherlob
aus : Ferdinand handle mature (1,8, 2,2 ; „nach reiflicher Überlegung“), zeichne sich
durch prudentia, modestia und sublimitas (2,4 ; „Klugheit“, „Bescheidenheit“ und
„Erhabenheit“) aus. Auch Bischof Cles handle mature (1,5) und gebe sich als pius
pater (1,8 ; „frommer Vater“).
Stellimaurus’ Schrift über den Bauernkrieg stellt eine Mischform zwischen his-
torischer Monographie und Chronik dar : Der erste Teil des Werkes, der sich nicht
mit den neun Kapiteln des ersten Buches deckt, sondern die Kapitel 1,1 bis 2,4
umfasst, ist der monographische : Das Thema ist mit der Geschichte Trients in der
Zeit der Bauernunruhen eng abgegrenzt. Es wird Ursachenforschung betrieben,
das Geschehen wird dramatisch geschildert, Reden und Anekdoten tragen zum li-
terarischen Reiz bei. Ab Kapitel 2,5 wird die Geschichte nochmals in chronologi-
scher Weise dargestellt : Jedes Kapitel beginnt mit einer Datumsangabe. Es geht
hier weniger um die begrĂĽndende Darstellung eines geschichtlichen Ereignisses als
vielmehr um das Festhalten von Fakten, Namen und Daten. Die Einteilung des
Werkes in zwei BĂĽcher dient dazu, die eigentliche Trennlinie zwischen den beiden
Werkteile zu verschleiern.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăśberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593