Page - 327 - in TYROLIS LATINA - Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Image of the Page - 327 -
Text of the Page - 327 -
Geschichtsschreibung 327
Struktur
Reden
Kriegslisten
Selbstbild
habsburgische
Frömmigkeit
mit vielen Änderungen (443–445) aus dem Geschichtswerk des Francesco Guicci-
ardini ĂĽbernommen wurde.
Die zwölf Bücher der Annales sind recht unterschiedlich strukturiert, lassen sich
aber in zwei Hauptblöcke unterteilen : Während das erste Buch die Vorgeschichte
und den Ursprung der Habsburger bis zum Jahr 1291 berichtet, umfassen die BĂĽ-
cher 2–5 jeweils mehrere Jahrzehnte. In Buch 6 wird die Geburt Maximilians ge-
schildert, der dann als Leitfigur der Bücher 7–12 auftritt, die jeweils nur mehr
wenige Jahre behandeln. Programmatisch endet das Werk auch mit dem Tod Ma-
ximilians.
Als wĂĽrdiger Vertreter der dramatischen Geschichtsschreibung erweist sich de
Roo auch in den immer wieder eingebauten Reden. Wenn seine Diktion ansonsten
auch ruhig und kühl ist, kann er hier doch zeigen, zu welchen rhetorischen Hö-
henflügen er fähig ist : Die erste direkte Rede des Werkes etwa ist Rudolf I. in den
Mund gelegt, kurz vor der Belagerung von St. Gallen 1272 (12–13). Nicht zuletzt
zahlreiche Zitate aus Ciceros Catilinarien sollen Rudolf als klugen und bedachten
Mann erscheinen lassen. Auch Maximilian tritt als begnadeter Redner auf, der alle
Register ziehen kann, etwa wenn er sich (433) an die ReichsfĂĽrsten wendet, um
UnterstĂĽtzung im Krieg gegen Frankreich zu erhalten.
Mit besonderer Erzählfreude schildert de Roo die Kriegslisten, wie sie in allen
nur erdenklichen Varianten im Laufe der Geschichte angewandt wurden, sei es,
dass die Venezianer Padua durch Tricks ohne BlutvergieĂźen einnehmen konnten
(446–447), sei es, dass allein der laute Ruf „Die Feinde fliehen !“ diese erst in die
Flucht getrieben hat (31), sei es, dass ein Feldherrnzelt präpariert wurde und sich
als tödliche Falle herausstellte (27). Eine gewisse Freude zeigt de Roo auch an
kuriosen Grausamkeiten, wenn etwa besonders harte Strafen vollstreckt werden
(85).
Während die Aussagen von de Roos (bzw. Dietz) über sein eigenes Schaffen in
der Widmungsepistel recht ausführlich (und stark topisch gefärbt) sind, finden sich
im Werk selbst nur wenige aussagekräftige Stellen : Bemerkenswert ist die deutliche
Abgrenzung von der Panegyrik und die Beteuerung, stattdessen wahre historia zu
betreiben (50). In der Widmungsepistel liest man die Verpflichtung zur Wahrheit
(fides et veritas), de Roo beklagt jedoch seinen Mangel an Gelehrsamkeit (doctrina)
– ein klarer Bescheidenheitstopos. Am Beispiel von Maximilians Schweizerkriegen
wird demonstriert, was man an Unparteilichkeit zu erwarten hat : Die Geschichte
soll so geschrieben werden, als hätte sie ein Schweizer geschrieben.
Ein wichtiges Anliegen des Werkes ist es, die Habsburger, allen voran Maximi-
lian, als gute, christliche Herrscher erscheinen zu lassen. Albrecht I. vertraut etwa
in der Entscheidungsschlacht gegen Adolf von Nassau auf Gott und siegt (66),
RudolfÂ
I. singt noch in der Schlacht ein Marienlied (30) ; als die beiden größten Tu-
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăśberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593