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Philosophie 351
Disputationen
gingen auch literarische Werke hervor, von denen v.a. Lehrbücher und gedruckte
Disputationen zu nennen sind. Von den Tirolern, die einen philosophischen Lehr-
stuhl an einer ausländischen Universität erwerben konnten und auch schriftstelle-
risch hervortraten, sei hier der in Straßburg und Tübingen wirkende Andreas Planer
(1546 Bozen–1607 Tübingen) herausgegriffen, der einige Lehrbücher zu Aristoteles
verfasste und sich im süddeutschen Raum einen Namen machte.
Während Planers Werke keinen unmittelbaren Tirol-Bezug aufweisen, gibt es
einige gedruckte Disputationen von Tirolern, die durch ihre Widmung bewusst
mit der Heimat verbunden bleiben. Ihre Grundlage im akademischen Unterricht
haben diese Werke in den regelmäßigen mündlichen Disputationen, zu denen die
Studenten antreten mussten, um vor dem Kollegium die Beherrschung des Stoffs
durch das Diskutieren von Lehrsätzen zu beweisen. Feierliche Disputationen waren
auch Voraussetzung für den Erwerb akademischer Grade. Zum Druck befördert
wurden solche Disputationen allerdings nur selten, nämlich dann, wenn der Kan-
didat ein bestimmtes Interesse damit verfolgte und auch das nötige Kapital auf-
brachte. Was ihm ein solcher Druck bringen konnte, wird aus den Widmungen an
hohe Herren klar. Die gedruckten Disputationen hatten eine klare soziale Funktion
als Empfehlungsschrift junger Akademiker, die nach ihrem Studium eine Anstel-
lung im staatlichen oder kirchlichen Dienst suchten. Der ziemlich gleichförmige
Aufbau der Widmungen läuft immer auf dieses Ziel hinaus : Die Wohltaten des
Gönners gegenüber dem Kandidaten bzw. dessen Familie werden in Erinnerung
gerufen und mit der Bitte um weitere Huld verbunden. Was den Schreiber für
einen zukünftigen Dienst beim Patron qualifiziert, wird auch mehr oder weniger
deutlich ausgesprochen. Entweder in der Widmung selbst oder in den dem Druck
gewöhnlich beigegebenen Gedichten auf den Kandidaten wird auf die besondere
Schwierigkeit der Materie hingewiesen, wobei auffällig oft Metaphern aus Kampf
und Krieg gebraucht sind. Explizit oder implizit wird der Hinweis auf die beson-
dere geistige Leistung desjenigen gegeben, der sich im Ringen mit vertrackten phi-
losophischen Problemen durchgesetzt hat. Die in der eigentlichen Disputation ver-
handelten Lehrsätze, oft auch Thesen genannt, werden im Druck ohne den Dialog
des Prüfungsgesprächs präsentiert. Es treten keine Sprecher auf, die ihre Positionen
vertreten oder Einwürfe tätigen. Stattdessen werden den Thesen später Abhand-
lungen über ein bestimmtes Stoffgebiet vorgeschaltet, die mit ihnen inhaltlich zu-
sammenhängen können, aber nicht müssen. Diese Abhandlungen sind in der Regel
die Werke des vorsitzenden Prüfers (praeses), der die Gelegenheit für eine Publika-
tion nutzt. Der Antwort gebende Prüfling (respondens) verfasst gewöhnlich nur die
Widmungsreden. Von den wenigen erhaltenen Beispielen aus dieser Epoche wird
im Folgenden je eines aus Oberitalien und Süddeutschland gegeben. Sie werden
exemp larisch als Einführung in das Genre behandelt, nicht weil sie an sich bedeu-
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593