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Medizin 367
biographische
Komponente
seine Patienten selbst zu Wort kommen zu lassen, weiter. Dabei zeigen v.a. die ange-
fĂŒhrten âRatschlĂ€geâ Ferdinands, dass der FĂŒrst dem Schalk nicht abgeneigt war (Bl.
47v) : âWenn man einen wil schrecken und ein buberey thuen, so lade man das rohr
mit weychem kÀs, und thue ein wenig pulver zuvor ein, und scheus es einem ins
gesicht, das macht einen sehr scheuzlich, weiĂ und schwarz.â Wenig spĂ€ter schreibt
Handsch (Bl. 51r) :
Dixit de particula candelae sebaceae super lingua dormientis ponenda, et postea concutere, tunc
ille perterritus devorat, et postea vomit.
Er [sc. Ferdinand] sagte, man solle einmal versuchen, einem Schlafenden ein StĂŒck Talg-
kerze auf die Zunge zu legen. Wenn man ihn danach rĂŒttle, werde dieser hochschrecken,
das StĂŒck verschlucken und danach erbrechen.
Neben fĂŒr Medizin und Medizingeschichte interessanten und relevanten Gesichts-
punkten bietet das Diarium auch biographisch wertvolles Material. Durch die
Aufzeichnungen und Kommentare Handschs gelingt ein interessanter Einblick in
einige Bereiche des privaten Alltags am FĂŒrstenhof, der u.a. zeigt, dass die gesund-
heitlichen Beschwerden die LebensqualitÀt des Paares (zumal jene der Philippine
Welser) nachhaltig beeintrÀchtigten und die beschrÀnkten Mittel bzw. Kenntnisse
der behandelnden Ărzte eine lĂ€ngerfristige Linderung bzw. ein Kurieren der Lei-
den unmöglich machten â was allerdings auch mit der mangelnden Kooperation
Philippines zusammenhing. Aufgrund der ausgeprÀgten Genusssucht des Ehepaars
v.a. beim Essen und Trinken wurden die erteilten medizinischen RatschlÀge und
hĂ€ufigen Aufrufe zur MĂ€Ăigung oft missachtet. Sowohl Ferdinand als auch Philip-
pine nutzten den beschrĂ€nkten Erkenntnishorizont ihrer Ărzte sowie deren oft
widersprĂŒchliches Vorgehen bei der Therapie listig aus. So wusste beispielsweise
Philippine Welser ganz genau, wie sie die ĂŒbliche strenge DiĂ€t wĂ€hrend ihres Kur-
aufenthaltes in Karlsbad 1571 (Kiby 1995, 34) umgehen konnte : Et dicit sibi dulcia
conferre ad pectus, sed hoc miror, quia cum edit cessat illa pressura pectoris (Bl. 2v ; âSie
[sc. Philippine] sagt, dass SĂŒĂigkeiten ihr gegen den Druck auf der Brust helfen ;
aber es wundert mich, dass besagter Druck immer dann nachlĂ€sst, wenn sie isstâ).
Auch kam es öfters vor, dass beide zu irgendwelchen Hausmitteln griffen oder sich
von Bekannten beraten lieĂen, anstatt den RatschlĂ€gen ihrer Ărzte zu folgen, was
fĂŒr diese Zeit typisch war (Wear 1995, 239). Gerade bei Philippine Welser, die ein
ausgeprĂ€gtes Wissen ĂŒber HeilkrĂ€uter hatte (Auer/Irblich 1995, 23), stellte dies
Handsch ein ums andere Mal vor Probleme. Ferdinand pflegte lÀstigen EinwÀnden
und Bedenken seitens seiner Ărzte, v.a. hinsichtlich seiner Jagdleidenschaft, der er
auch bei schlechtem Wetter frönte, oder der groĂen körperlichen Strapazen, wel-
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Ć ubariÄ
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Ć ubariÄ) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Ć ubariÄ) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Ć ubariÄ) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur GrĂŒndung der UniversitĂ€t (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Ć ubariÄ) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Ć ubariÄ) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593