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368 Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands
II. von Tirol (1595)
De praeservatione chen er sich beim Spiel aussetzte, ähnlich zu begegnen wie seine Frau, wie Handsch
an einer anderen Stelle klar macht : Ante coenam lusit magna pila, ut incalesceret et
sudaret, nam in calore dicebat sibi melius esse, nobis tamen non placebat (Bl. 64v ; „Vor
dem Abendessen vergnügte er sich noch beim Spiel mit dem großen Ball ; dabei
schwitzte er und erhitzte sich. Er behauptete, es gehe ihm besser, wenn ihm warm
sei ; uns jedoch gefiel das nicht“). Trotz dieser z.T. despektierlichen Behandlung
findet sich im Diarium nur leise Kritik am Verhalten des Paares, etwa aus Anlass
eines Austernessens, bei dem der Fürst über die Stränge geschlagen und somit den
Ärzten wieder einige Umstände bereitet hatte : […] ut per 4 noctes coacti fuerimus
apud eum vigilare (Bl. 62r ; „[…] sodass wir gezwungen waren, vier Nächte lang an
seinem Bett zu wachen“).
Schließlich ist unter den Schriften für oder über Ferdinand II. noch ein anony-
mes und nicht genau zu datierendes Konsil mit dem sekundären Titel De praeser-
vatione a calculo et arenulis consilium medicum principi cuidam, ut videtur Austriae
archiduci Tirolensi, datum („Medizinischer Ratgeber für einen Fürsten, wahrschein-
lich den Tiroler Erzherzog von Österreich, über den Schutz vor großen und kleinen
Nierensteinen“ ; ÖNB, Cod. 11083) zu nennen. Ferdinand II. geht zwar an keiner
Stelle dieser Schrift aus dem 16. Jh. zweifelsfrei als Adressat hervor, mehrere Hin-
weise machen diese Vermutung jedoch plausibel. Das Leiden des Patienten ist ähn-
lich wie bei Handsch dargestellt, die Beschreibung seiner Person kommt der Dar-
stellung Ferdinands bei Alessandrini sehr nahe. Der Autor, der namentlich ebenfalls
nicht aufscheint, dürfte aus dem Süden Tirols stammen ; dies legt zum einen der
Wechsel zwischen der italienischen und deutschen Sprache bei der Verwendung
von Begriffen aus der Volkssprache nahe ; andererseits zeigt sich der Verfasser beson-
ders gut informiert hinsichtlich der Gepflogenheiten und Pathologien der Bozner
den Weinkonsum betreffend (s.u.). Der unbekannte Arzt scheint nicht dauerhaft
in direktem Kontakt mit seinem Patienten gestanden zu haben, sondern durch Be-
richte über dessen Gesundheitszustand informiert worden zu sein. Diese Annahme
erscheint durch Formulierungen wie sicuti audio („wie ich höre“) oder pulsum non
tetigi („ich habe den Puls selbst nicht gemessen“) wahrscheinlich.
Nach einem Gebet für das Wohl des Fürsten beschäftigt sich der Text zunächst mit der
Entstehung von Nierensteinen : Die Voraussetzungen hierfür seien eine unmäßige Körper-
wärme sowie das Vorhandensein von Stoffen, die entweder fett (crassa), zähflüssig (viscosa)
oder klebrig (glutinosa) seien. Durch die Hitze würden sich diese Stoffe, ähnlich wie beim
Brennen von Ziegeln, verdichten und erhärten. Je nach Größe und Beschaffenheit der
Steine könne man zudem genau bestimmen, wo bzw. aus welchen Stoffen sich diese gebil-
det hätten. Bei seinem Patienten kommt der Arzt zum Ergebnis, dass die Steine aus fetter
Galle entstünden. Man müsse also verhindern, dass fette Stoffe in die Nieren gelangten.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593