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372 Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog FerdinandsÂ
II. von Tirol (1595)
Werbung empfiehlt er sexuelle Enthaltsamkeit, MĂ€Ăigkeit im Essen und Trinken und rĂ€t von Aufre-
gung und groĂen körperlichen Anstrengungen ab.
Kurz darauf schlÀgt Venusti wieder den bereits erwÀhnten, BadegÀste werbenden Ton-
fall an : Er berichtet von einem lavacrum equorum, einem Pferdebecken, als einer der vielen
Besonderheiten der BĂ€der Bormios. Angesichts einer ganzen Reihe von VorzĂŒgen ĂŒber-
schlÀgt sich Venusti beinahe vor Begeisterung (9) :
Tam commoda balnea, ita aedificiis ornata ego certe nusquam alibi vidi neque in Germania
neque in Italia, quae tamen hoc etiam anno a Burmiensibus redduntur commodiora et orna-
tiora.
Ich freilich habe so bequeme BÀder, mit so schönen GebÀuden ausgestattet, nirgendwo
sonst, weder in Deutschland noch in Italien, gesehen ; noch dazu werden sie eben in die-
sem Jahr von den Bewohnern Bormios noch bequemer und luxuriöser ausgestattet.
Im Anschluss an diesen medizinisch-touristischen Teil erlÀutert der Verfasser in einem na-
turwissenschaftlichen Exkurs die Entstehung und den Ursprung der warmen Quellen in
Bormio. Das Wasser des Bades, so der Verfasser, sei nicht von seinem Ursprung an warm,
sondern nehme die WĂ€rme erst in unterirdischen KanĂ€len auf, durch welche es flieĂe.
Der Schwefel, welcher als unterirdische WĂ€rmequelle diene, verleihe dem Wasser auch
seine heilende Kraft. Mit seinen abschlieĂenden Bemerkungen unterstreicht Venusti noch
einmal die Ausnahmestellung des Kurortes mit der ErwÀhnung, der heilsame und selten
vorkommende Capillus Veneris (âVenushaarâ) wachse dort im Ăberfluss.
Wiewohl es den heutigen Leser befremdlich anmuten mag, medizinisch-wissen-
schaftlichen Inhalt so eng mit wirtschaftlichen, ja âfremdenverkehrswerbendenâ
Inhalten verquickt zu finden, bleibt doch festzuhalten, dass dies innerhalb der bal-
neologischen Literatur der Zeit kein Kuriosum, sondern eher ein gattungsspezi-
fisches Merkmal darstellte. Besonders dann, wenn ein Kurort an Renommee zu
verlieren drohte oder sich erst einen Namen verschaffen musste, ergab es sich oft,
dass Ărzte â die solche VerĂ€nderungen selbst zu spĂŒren bekamen â das ErklĂ€rende
mit dem Werbenden verbanden.5 Im Fall von Bormio scheint in der zweiten HĂ€lfte
des 16. Jhs. trotz seines ausgezeichneten Rufs (âWormserbad heylt allen Schadâ ;
5 Ein bekanntes Beispiel dafĂŒr stellt die 1470 entstandene Schrift ĂŒber die warmen BĂ€der in Calw
des TĂŒbinger Arztes Johannes May dar. Besagter Kurort war zu seiner Zeit noch relativ unbekannt,
sodass sich May dazu entschloss, unter seinen Fachkollegen etwas die Werbetrommel zu rĂŒhren,
wohl auch deshalb, weil die Quelle, welche das Bad speiste, im Besitz der Grafen von WĂŒrttemberg
war, deren Leibarzt er war.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Ć ubariÄ
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Ć ubariÄ) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Ć ubariÄ) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Ć ubariÄ) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur GrĂŒndung der UniversitĂ€t (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Ć ubariÄ) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Ć ubariÄ) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593