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Dichtung 405
Wie lernt man
nlat. dichten ?
Schul- und
geistliche
Dichtung
Savioli
Zanettis geplante
Gesamtausgabe ;
Flammulae
Gegensatz zwischen körperlicher und himmlischer Liebe bleibt bis zum Ende im-
plizit, erst der streng antithetisch gebaute V. 4 bringt ihn im Sinn einer Schluss-
pointe zum Ausdruck und löst die entstandene Spannung. Das dort verwendete
„Umgarnen“ stellt dabei gerade im vorliegenden Zusammenhang eine treffende
Metapher dar. Soweit erscheint das Epigramm durchaus als geglĂĽckt. Gleichzeitig
weist es jedoch eine Reihe unübersehbarer Schwächen auf : Das Staunen über die
verschiedenen Zwecke, zu denen sich Frauenhaar gebrauchen lässt, dürfte Thobias
von seinem Lehrer einen Vermerk wie puerile („kindisch“) oder frigidum („frostig,
platt“) eingetragen haben. Die Wiederholung von crinis ist kunstlos (coma, capilli
u.a. hätten sich als Synonyme angeboten). Im Schlussvers lässt den jungen Poeten
dann sogar sein Vokabelgedächtnis im Stich und er bildet ein neues Verb illaquerare
statt des richtigen illaqueare.9
Die drei Sammlungen zeigen aus erster Hand und im Gegensatz zu Studienord-
nungen oder Lehrbüchern aus der Perspektive der Schüler selbst, wie ein Zögling
der Jesuiten das poetische Handwerk erlernte. Damit bieten sie wertvolle Einblicke
in eine fundamentale, aber noch wenig erforschte Voraussetzung der nlat. Literatur.
Dass und wie die jesuitische Schuldichtung in ihrer geistlichen Ausrichtung tat-
sächlich das spätere poetische Schaffen vieler ehemaliger Zöglinge prägte, lässt sich
an zahlreichen Beispielen belegen. Unter der im Folgenden vorzustellenden geist-
lichen Dichtung kann man v.a. die Epigrammzyklen von Giovanni Savioli und
Giulio Perotti als ihre direkte WeiterfĂĽhrung verstehen.
Der aus einer adeligen Roveretaner Familie stammende, ebenso literarisch in-
teressierte wie religiöse Giovanni Savioli (1594–1640) besuchte zunächst das Je-
suitengymnasium Innsbruck, wo er als Johannes Saviol unter den Verfassern der
Epigrammata der Rhetorikklasse von 1610/11 figuriert (vgl. dort etwa 1, 3, 7 usw.).
Nach einem Jurastudium in Padua wurde er unter dem Ordensnamen Bonaventura
Kapuzinermönch in seiner Heimatstadt, wo er den Rest seines Lebens verbrachte
und ein umfangreiches poetisches Œuvre verfasste, das aus größtenteils religiös-
erbaulichen Epigrammen und Elegien bestand (Perini 1907, 11).
Gegen Ende von Saviolis Leben machte sich der Trientner Drucker Carlo Zanetti
daran, dieses Œuvre dem Vergessen zu entreißen. Er brachte zunächst 1638 mit den
Flammulae divini amoris carmine adumbratae („Im Gedicht umrissene Flämmchen
göttlicher Liebe“) eine knappe Auswahl heraus und plante dann eine Gesamtedition
in zwei Bänden, von denen jedoch, wohl weil der Autor unterdessen verstarb, nur
der erste erschien. Bei den Flammulae handelt es sich um ein schlampig gedrucktes
9 Unklar ist, was es mit der Getrenntschreibung illa querare auf sich hat. Es könnte sich um einen
FlĂĽchtigkeitsfehler handeln, provoziert durch illius im Titel des vorliegenden oder illa in dem des
folgenden Gedichts.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăśberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593