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424 Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669)
historische Quelle
und formales
Experiment rid, wo Maria Anna mit ihrem verwitweten Onkel Philipp IV. verheiratet werden
sollte. Als die kaiserlichen Geschwister im Dezember 1648 Trient durchzogen,
verfasste das dortige Jesuitenkolleg ihnen zu Ehren einen prosimetrischen Plausus
Apollineus („Apollinischen Beifall“), der noch im selben Jahr in Trient erschien.
Nach einem kurzen Widmungsbrief ([3]) besingt zunächst Apollo alleine den frohen An-
lass, holt aber bald zu seiner UnterstĂĽtzung die Musen herbei, die alle neun erscheinen
([4]–[6]). Er erklärt ihnen, wozu er sie herzitiert hat, und schickt einige von ihnen zur
– wohl wegen des Fortgangs Maria Annas – trauernden Austria, um diese zu trösten ([6]–
[7]). Mit den restlichen will er nach Kräften versuchen, dem freudigen Ereignis gerecht zu
werden. Man unterhält sich über die Festvorbereitungen, zu denen u.a. Trients Stadtgott
Neptun angereist kommt ([7]–[10]), und bestaunt dann insbesondere die Triumphpforte,
die dem Geschwisterpaar errichtet worden ist ([10]–[12]). Als Ergänzung zu deren In-
schriften diktiert der Dichtergott den Musen drei Ellogia auf Maria Anna und Ferdinand
sowie zwei Anagramme aus ihren Namen ([12]–[17]). Schließlich kehren die zu Austria
gesandten Musen zurĂĽck und bringen von ihr (die selbst offenbar nicht besonders trost-
bedĂĽrftig war) ein Trostschreiben an Philipp mit, das insbesondere Maria Annas VorzĂĽge
rĂĽhmt. Apollo und die Musen kehren heim, um weitere Dichter zu Werken auf die Ge-
schwister zu inspirieren ([17]–[18]).
Panegyrische Aussage und Motivik des Werks sind weitgehend topisch, wenn auch
(etwa in dem Übergewicht, das Maria Anna über ihren Bruder eingeräumt wird) dem
Anlass gut angepasst, und bieten vom einleitenden Vergleich der Geschwister mit
Sonne und Mond über die Götterhandlung (Neptun) bis zum abschließenden Preis
Maria Annas kaum Ăśberraschungen. Bemerkenswert ist das Opus dagegen einerseits
inhaltlich durch seine Beschreibung der Triumphpforte, nach der man diese fast re-
konstruieren könnte und die es zu einer interessanten Quelle für den sonst kaum
dokumentierten Empfang der Geschwister in Trient macht, andererseits v.a. durch
seine Form. Was diese angeht, nimmt es in manchem spätere panegyrische Werke
aus der Zeit um 1700 vorweg : Das Personal, Apollo und die Musen, sowie das Pro-
simetron begegnen im ebenfalls anlässlich des Durchzugs einer Prinzessin auf dem
Weg zu ihrer Hochzeit verfassten Helicon Oenipontanus (vgl. hier S. 620) wieder, das
Prosimetron allein auch in zwei menippeischen Satiren der Innsbrucker und – wie
hier – der Trientner Jesuiten (vgl. hier S. 629). Dem Plausus Apollineus eigen ist ge-
genĂĽber diesen Werken neben der rein dramatischen Darstellungsform insbesondere
die Behandlung der nichtprosaischen Partien. Was die Vielfalt der klassischen Metren
betrifft, ist er seinen Nachfolgern allerdings unterlegen : Es begegnen nur Hexameter,
Distichen und ([16]–[17]) jambische Dimeter. Dafür finden sich akzentrhythmische
und z.T. gereimte Verse, die Inschriften der Triumphpforte sowie die Ellogia, sonst
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăśberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593