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Theater 449
Simon Scharl
De glorioso Sanctae
Caeciliae […]
triumpho
dem potenziellen GrĂĽnder einer neuen Tiroler Linie der Habsburger entgegenge-
bracht wird. Gleich zu Beginn des Stücks wird klar, dass König Rudolf auf seinen
als „Enkel“ angesprochenen Nachkommen Erzherzog Leopold vorausweisen soll.
So wie Rudolf das Haus Habsburg im deutschen Reich zur Herrschaft brachte, soll
Leopold mit der neuen Linie Habsburg-Medici eine dauernde Herrschaft in Tirol
begrĂĽnden.
Im benachbarten Hall wurden 1626 zwei StĂĽcke des Jesuiten Simon Scharl
(1594–1652) aufgeführt, der von 1626 bis 1628 am Haller Kolleg tätig war.10 Eines
davon steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der landesfĂĽrstlichen Hoch-
zeit und wendet sich speziell an Claudia de’ Medici. Ein anderes, im Anschluss
besprochenes, erinnert in seiner komischen Thematisierung des Schulwesens vor
den Augen des Landesfürsten an die Bildungsdramen des 16. Jhs., enthält aber eine
stärkere Huldigungsadresse.
Im April 1626 spielten die Haller Jesuiten anlässlich eines Besuchs des Tiroler
Erzherzogs Leopold V. mit seiner Gattin Claudia de’ Medici ein Drama De glorioso
Sanctae Caeciliae virginis ac martyris triumpho („Über den ruhmreichen Triumph
der heiligen Jungfrau und Märtyrerin Cäcilia“).11 Das erzherzogliche Paar war erst
seit dem 19. April getraut, die Aufführung musste also wenige Tage später stattfin-
den und wurde wohl als Hochzeitsgeschenk verstanden. Dementsprechend wurde
auch groĂźer Aufwand getrieben. Vor allem legte man groĂźen Wert auf eine musi-
kalische Darbietungsweise. Das StĂĽck enthielt zahlreiche Lieder, deren Wiedergabe
ziemlich genau festgehalten wurde : Auf 73 Seiten hs. Text folgen 36 (!) Seiten No-
tation von Gesangsstimmen in stimmenspezifischen SchlĂĽsseln samt Generalbass.
Diese wichtige Rolle der Musik kommt nicht von ungefähr. Zunächst passt die
musikalische Darbietungsweise zum Stoff, ist doch Cäcilia die Patronin der Musik.
Sodann schuf man mit dem Haller StĂĽck ein Pendant zum Innsbrucker Rudolphus
Habspurgicus, der kurz zuvor im Rahmen der eigentlichen Hochzeitsfeierlichkeiten
„all’italiano“, also vermutlich im Stil der italienischen Oper, aufgeführt worden
war. Schließlich konnte man mit einem Stück solchen Zuschnitts und mit Cäcilia
als Hauptfigur auch speziell der Florentinerin Claudia huldigen, die fĂĽr den Import
italienischer Musikkultur nach Tirol zumindest mitverantwortlich war.12 Während
10 Vgl. Leutenstorfer 2001. Der Titel von Leutenstorfers Beitrag („Vier lateinische Jesuiten-Theater-
stücke aus Hall in Tirol“) ist missverständlich. Von den vier Stücken, die er behandelt und die hs. in
einem Band der Kollegiumsbibliothek von St. Blasien im Schwarzwald (Da o184) ĂĽberliefert sind,
wurden zwei in Hall und zwei in Burghausen gegeben.
11 Valentin, Nr. 965 ; Zwanowetz 1981, 135–144 (einzelne Beobachtungen), 232 (Eintrag im Spiel-
plan) ; Perioche bei Szarota 1979–1987, Bd. 1,2, 1141–1148.
12 Zu Claudias persönlicher Begeisterung für Musik (sie spielte selbst Laute und Harfe) vgl. Weiss
2004, 56.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăśberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593