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Beredsamkeit 471
zwei Reden von
Guarinonius auf
Zenn
Anlass und Art
des Vortrags
erste Rede
Hippolytus Guarinonius trat nicht nur als Madruzzo-Panegyriker in Erschei-
nung, sondern verfasste auch zwei Reden zum Amtsantritt des Daniel Zenn als
Bischof von Brixen im Jahr 1627, die sich auf Bl. 358r–379r und 379v–389v der
Hs. ULBT, Cod. 110,4 erhalten haben (von der zweiten fehlt der Schluss, aber
wohl nicht viel mehr).4 Beide, die erste noch mehr als die zweite, geben sich durch
viele, z.T. umfangreiche Streichungen und Ergänzungen am Rand als Entwürfe zu
erkennen.
Der genaue Anlass scheint nur bei der zweiten Rede klar, die, wohl von Guari-
nonius selbst, im Rahmen des Festgottesdienstes zur Investitur des neuen Bischofs
vorgetragen wurde (vgl. z.B. Bl. 380v–381r). Die erste Rede setzt dieses Ereignis
ebenfalls voraus (vgl. etwa Bl. 360v Danieli nuper […] electo, nunc […] coronato,
„dem neulich […] gewählten, jetzt [mit der Mitra] gekrönten Daniel“), doch bittet
Guarinonius Zenn in ihr, ut absentem velut praesentem benigne admittas (Bl. 360r ;
„dass du mich Abwesenden gütig aufnimmst, als ob ich anwesend wäre“). Außer-
dem enthält sie mit mehreren DANIEL-Akrosticha (z.B. Bl. 358r : Deo Auspice Nu-
per In Episcopum Lecte) sowie einem Chronogramm (Bl. 362v) Elemente, die nur
bei der LektĂĽre des schriftlichen Textes erkenn- und genieĂźbar sind. Als Publikum
werden in ihr zu Beginn Zenn selbst, die Mitglieder des Brixner Konsistoriums
und „andere Zuhörer“ genannt. Guarinonius hat sie anscheinend zu einem nicht
näher bestimmbaren Anlass kurz nach der Investitur verfasst und zum öffentlichen
Vortrag ĂĽbersandt, muss aber wohl auch eine gedruckte Lesefassung geplant haben,
die dann nicht zustande gekommen ist.
Die erste Rede steht unter dem nicht ganz klaren Titel Danieli cunctis omnium
votis noviter electo novum caelum irradiat („Dem mit sämtlichen Stimmen aller neu-
gewählten Daniel leuchtet ein neuer Himmel“) und einem Motto aus Dan 2,48,
das von der Gunst Nebukadnezars gegenĂĽber dem biblischen Daniel spricht. Sie
lässt sich etwa folgendermaßen resümieren :
Neulich ist am Himmel das Gestirn von Zenns Vorgänger untergegangen. Ohne Un-
tergang der einen kein Aufgang der anderen Sterne : Heute wendet man sich Zenn
als der neuen Sonne zu (Bl. 358r–360r). Die Größe der Aufgabe und das erlauchte
Publikum überwältigen den Redner, doch er nimmt sich zusammen und beginnt (Bl.
360r–361v). Daniel Zenn gleicht seinem Namensvetter aus dem AT (Bl. 362r–363r). Da
sich glückliche Vorzeichen am Himmel zeigen, will der Redner die Himmelssphären
erklären. Die Fixsternsphäre entspricht der Kirche (Bl. 363r–365r) ; die Bischöfe sind
dabei den Sternen der ersten Größenklasse, aber auch dem Orion vergleichbar ; weitere
Stufen der kirchlichen Hierarchie entsprechen den Sternen der zweiten bis sechsten
4 KHUI 2,1, 46 verbucht Bl. 358r–389v als eine einzige Rede und ist auch sonst unpräzise.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăśberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593