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472 Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669)
eine
ungewöhnliche
Festrede
zweite Rede Größenklasse. Zenn ist in der Sternhierarchie steil aufgestiegen (Bl. 365r–368v). Nun
will der Redner die heidnische Interpretation des Tierkreises durch eine christliche er-
setzen : Seine zwölf Zeichen entsprechen den zwölf Teilen des Credo (Bl. 368v–372v) ;
man kann sie aber auch mit den zwölf Aposteln gleichsetzen (Bl. 372v–373v). Die fünf
Himmelskreise (die beiden Polar- und Wendekreise sowie der Ă„quator) entsprechen
den zehn Geboten (Bl. 373v–374r). Eine unsichtbare Sphäre jenseits der Fixsternsphäre
bzw. ihr und aller Sphären bewegendes Prinzip symbolisieren Papst und Gott (Bl.
374rv). Die sieben Planeten und ihre Sphären stellen verschiedene weltliche Reiche bzw.
Personengruppen dar, der Mond etwa die gemeinen Gläubigen (Bl. 374v–376r). Sie
sind der geistlichen Sphäre untergeordnet : So unterwirft sich auch der gute weltliche
Herrscher dem Prinzipat der Geistlichkeit und prosperiert ; der schlechte tut es nicht
und geht zugrunde (Bl. 376r–379r). Mit einer Rekapitulation des Gesagten schließt die
Rede (Bl. 379r).
Es handelt sich inhaltlich und strukturell um eines der ungewöhnlichsten Beispiele
fĂĽr panegyrische Rhetorik aus dem Tiroler Raum. Im Gegensatz zur ĂĽblichen Praxis
tritt das Lob des zu Feiernden nach der Anfangspartie in den Hintergrund. Statt-
dessen wird eine (natürlich vom ptolemäischen Weltbild ausgehende) Allegorese
des Weltalls gegeben, die nicht nur zu diesem Anlass unerwartet kommt, sondern
auch fĂĽr sich genommen einfallsreich und originell erscheint. Die Idee der Entspre-
chung zwischen himmlischen und irdischen Zuständen und Ereignissen sowie hie-
ran anschlieĂźend die Allegorese des Himmelsgeschehens im Hinblick auf Irdisches
sind an sich geläufige Prinzipien. Doch die Dichotomie Fixsternsphäre/Kirche vs.
Planetensphären/weltlicher Bereich und die Interpretation der verschiedenen Grö-
Ăźenklassen von Sternen, des Zodiakos, der Himmelskreise und der Planeten schei-
nen Guarinonius’ eigene Erfindungen zu sein.
Die zweite Rede, „Für Daniel, der mit der Krone der priesterlichen Majestät
feierlich in sein Amt eingesetzt und eingeführt worden ist“, ist konventioneller auf-
gebaut. Sie vergleicht zuerst das Warten der Gemeinde auf Zenn mit dem Warten
auf das Einlaufen eines schwerbeladenen Handelsschiffs und kommt dann auf den
aktuellen Anlass, Investitur und Festgottesdienst, zu sprechen (Bl. 379v–381r). Der
Hauptteil zählt Zenns Tugenden und Leistungen auf (hervorragender Schüler in
Hall, Studium in Dillingen und Ingolstadt, Eloquenz, Bau einer prächtigen Kirche
in Krems,5 Freundschaft mit Kaiser Ferdinand II.), die in seiner Wahl zum Bischof
von Brixen kulminieren (Bl. 381r–388r) ; er orientiert sich dabei an der Biographie
5 Um welche Kirche es geht, ist unklar. Zenn war Pfarrer in Krems und bedachte die Wiener Kirche
Maria am Gestade mit einer Stiftung (Gelmi 1984, 155). Hat Guarinonius diese beiden Informati-
onen miteinander vermischt ?
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăśberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593