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Beredsamkeit 475
Pathosformeln
Druck und
Widmung
des Vergnügens mag dem einen oder anderen Hörer noch geläufig gewesen sein,
aber mit der schattenhaften, u.a. als Sorgenlöserin gedeuteten Angerona und dem
sorgenvertreibenden Kraut Helenion, das er hier personalisiert und in ein neues
Genus und eine neue Deklination überführt, dürfte Pansa das Vorwissen seines Pu-
blikums doch ein wenig überstrapaziert haben. Daneben manifestiert sich seine Ge-
lehrsamkeit auch in einer Fülle von Zitaten, besonders in der Maximilianrede, wo
neben Klassikern wie der Bibel, Homer, Vergil, Horaz, Ovid, Seneca, Plinius d.J.
und Juvenal auch Schriftsteller wie Albinovanus Pedo und Ausonius herangezogen
werden. Da viele dieser Zitate metrisch sind und Pansa außerdem immer wieder
Verse unbekannter Herkunft (möglicherweise eigene) einflicht, gewinnen die Reden
streckenweise den Charakter Menippeischer Satiren. Stilistisch fällt auf, dass Pansa
kaum ciceronianische Perioden baut. Er bevorzugt vielmehr eine reihende Syntax,
deren Sätze sich je nach Bedarf zu einzelnen Ausrufen, Sentenzen, Fragen und Ant-
worten verkürzen oder aber durch– parataktische Anfügung weiterer Teilsätze ver-
längern lassen, in welch letzterem Falle sich oft ein weitgehender Parallelismus mit
Anaphern, Assonanzen, Homoioteleuta und wachsenden Gliedern beobachten lässt.
Man lese etwa folgende Passage über Matthias als Befrieder Deutschlands (22) :
Quis ista omnia terricula sustulit, nisi Matthiae imperatoris felicitas ?
Quis a nostris cervicibus ista pericula repulit, nisi Matthiae imperatoris virtus ?
Quis illud turbidum et confusum rerum omnium chaos diremit,
nisi pia imperatoris Matthiae iustitia ?
Wer hat alle diese Schrecken behoben,
wenn nicht des Kaisers Matthias glückhaftes Handeln ?
Wer hat von unseren Nacken diese Gefahren fortgeschoben,
wenn nicht des Kaisers Matthias Tüchtigkeit ?
Wer hat jenes aufgewühlte und verwirrte Durcheinander aller Dinge geordnet,
wenn nicht des Kaisers Matthias fromme Gerechtigkeit ?
Solche Passagen sind keine funktionslose Künstelei, sondern dienen als stilistische
Pathosformeln : Sie helfen mit, die Hörer aufzuwühlen, und steigern die emotionale
Intensität der Reden.
Beide Reden wollten offenbar nicht nur gehört, sondern auch gelesen werden
und dabei auch durch ihre äußere Gestalt wirken : Sie sind sorgfältig und aufwen-
dig gedruckt und weisen insbesondere zu Beginn jeweils eine prunkvolle Titulatur
von vier (Maximilian) bzw. zwei Seiten (Matthias) auf.8 Diese Titulaturen erfüllen
8 Nach der Rede folgen im Falle Maximilians drei Pansas Beredsamkeit preisende Distichen eines
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593